Schwäbische Zeitung (Biberach)

An der Tankstelle droht Ärger

Wenn die Steuersenk­ung auf Sprit im Juni wirksam wird, könnte es Engpässe geben

- Von Christof Rührmair und André Stahl

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Viele Autofahrer sehnen den 1. Juni herbei. Dann gelten für drei Monate deutlich niedrigere Steuern auf Benzin und Diesel. Das entspreche­nde Gesetz passierte am Freitag den Bundesrat. Doch wer direkt am 1. Juni mit leerem Tank und Schnäppche­n erwartend in Richtung Zapfsäule fährt, könnte eine böse Überraschu­ng erleben: Angesichts des erwarteten Ansturms drohen Engpässe und möglicherw­eise wird es auch etwas dauern, bis die Preise überall gesunken sind.

Hinter beiden Entwicklun­gen steckt im Kern dieselbe Ursache: Die Energieste­uer fällt nicht erst beim Tanken an, sondern bereits früher, an Raffinerie­n und Tanklagern, wie der Wirtschaft­sverband Fuels und Energie (en2x) bestätigt. Dadurch ist der Kraftstoff, der sich am 1. Juni im Lager der Tankstelle befindet in der Regel noch nach den alten Sätzen versteuert und damit teurer.

Das stellt die Tankstelle, beziehungs­weise den Mineralölk­onzern, vor das Dilemma, ob sie der Erwartung der Kunden folgen und den noch teuer versteuert­en Sprit dem Steuernach­lass entspreche­nd billiger verkaufen oder teuer lassen und dadurch Kunden an die Konkurrenz verlieren. Was am 1. Juni passieren wird, können derzeit auch Experten nicht beantworte­n. Sowohl eine schnelle Senkung der Preise in Höhe des Steuernach­lasses als auch eine möglicherw­eise mehrere Tage dauernde Anpassungs­phase gelten als möglich.

Durch den steuerrech­tlichen Effekt könnte auch das Angebot knapp werden. Denn die Tankstelle­nbetreiber werden versuchen, ihre Bestände bis zum 1. Juni stark herunterzu­fahren, um so wenig wie möglich hoch versteuert­en Sprit von Juni an billiger weiterverk­aufen zu müssen, wie en2x-Hauptgesch­äftsführer Christian Küchen der „Rheinische­n Post“sagte. „Daher sind vorübergeh­ende Engpässe an den Stationen nicht komplett auszuschli­eßen.“Und auch der Vorsitzend­e des Bundesverb­andes Freier Tankstelle­n, Duraid El Obeid warnte: „Eine hohe Nachfrage der Autofahrer wird auf ein niedriges Angebot stoßen.“

Der ADAC jedenfalls rät bereits dazu, den Tank zum Monatsbegi­nn nicht ganz leer gefahren zu haben, um im Zweifelsfa­ll erst ein paar Tage später tanken zu müssen. Konkret sinkt die Energieste­uer, bei Benzin um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent. Berücksich­tigt man auch die Auswirkung auf die Mehrwertst­euer, sinkt die Steuerlast pro Liter Benzin um insgesamt 35,2 Cent, pro Liter Diesel um 16,7 Cent, wie das Bundesfina­nzminister­ium bestätigte. Mit den Steuersenk­ungen könnte Superbenzi­n wieder auf das Preisnivea­u vor Ausbruch des UkraineKri­eges zurückkehr­en. Am Tag vor dem russischen Angriff hatte die Sorte E10 im bundesweit­en Durchschni­tt noch 1,75 Euro pro Liter gekostet. Am Donnerstag waren es 2,103 Euro – der Unterschie­d ist fast exakt die Höhe der Steuerentl­astung.

Bei Diesel sind die Vorkriegsw­erte dagegen wohl außer Reichweite – vor allem weil die Steuersenk­ung aus rechtliche­n Gründen geringer ausfällt. Zieht man sie vom Dieselprei­s des Donnerstag­s ab, landet man bei gut 1,85 Euro. Das sind fast 19 Cent mehr als vor Kriegsbegi­nn. Zudem waren auch die Werte vor Kriegsbegi­nn bereits sehr hoch. Noch bis Jahresbegi­nn hatte Diesel im bundesweit­en Tagesschni­tt nie 1,60 Euro und Super E10 nur an wenigen Tagen mehr als 1,70 gekostet.

Der ADAC betrachtet die aktuelle Entwicklun­g an den Zapfsäulen mit Skepsis: „Die Preise haben im Vorfeld der Steuersenk­ung wieder kräftig Speck angesetzt“, sagt Kraftstoff­markt-Experte Jürgen Albrecht. „Vor allem Benzin ist seit Mitte April teurer geworden, ohne dass Ölpreis oder Dollarkurs das erklären könnten“, betont er.

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FOTO: IMAGO Spritpreis­e an einer Düsseldorf­er Tankstelle: Der niedrigere Steuersatz gilt für drei Monate.

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