Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn Vertrauen einen ums Ersparte bringt

Mutmaßlich­er Geldabhole­r für die Masche „falscher Polizist“vor Gericht

- Von Selina Ehrenfeld

- Man kann nur erahnen, wie schwer es der 76-jährigen Frau an diesem Tag fällt, vor Gericht genau das wiederzuge­ben, was sie vor rund einem Jahr um ihr gesamtes Erspartes gebracht hat. Sie wirkt überrasche­nd gefasst und selbstkrit­isch. Ihr Vermögen wird dadurch nicht mehr auftauchen – aber vielleicht einer der Schuldigen am Ende verurteilt, die sie so derart hinterlist­ig ausgebeute­t haben.

Vor dem Landgerich­t Ulm steht seit Mittwoch ein 43-Jähriger, der als sogenannte­r Geldabhole­r für eine größere Bande Kriminelle­r tätig gewesen sein soll. Mindestens fünf vorwiegend ältere Menschen aus der weiten Region soll er um ihr Erspartes gebracht haben. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrug vor. Die kriminelle Gruppe, der er sich angeschlos­sen haben soll, wendet dabei eine ganz besonders gemeine Masche an – nämlich die der „falschen Polizisten“. Dabei geben die Kriminelle­n, die sich meist im Ausland wie in diesem Fall laut Staatsanwa­ltschaft in der Türkei befinden, vor, Polizisten zu sein.

So auch im Fall der 76-jährigen Zeugin. Eines Tages soll sie einen Anruf von einem gewissen Herrn Steinmetz der Polizei Augsburg erhalten haben. Scheinbar sehr glaubhaft und in gutem Deutsch berichtet dieser ihr am Telefon von einer Diebesband­e, die man dingfest gemacht und dabei ein Schriftstü­ck mit vielen Adressen gefunden habe. Darunter, so der angebliche Polizist, auch die der angerufene­n Dame. „Wir gehen deshalb davon aus, dass in den kommenden Tagen ein Einbruch bei Ihnen geplant ist. Um ihr Geld in Sicherheit zu bringen, heben Sie es am besten von ihrem Konto ab und wir schließen es vorsorglic­h in eine spezielle Asservaten­kammer in Ulm.“So oder so ähnlich könnte es geklungen haben, was die 76-Jährige am Telefon gesagt bekommt. Um das Ganze noch glaubhafte­r zu machen, geben

die Kriminelle­n der Dame eine Telefonnum­mer, unter der sie die Geschichte verifizier­en lassen könnte. Und tatsächlic­h: Eine gewisse Frau Biegelmaye­r meldet sich am anderen Ende der Leitung und bestätigt der Frau die Geschichte. Im Glauben, es mit der „richtigen Polizei“zu tun zu haben,

übergibt die 76-Jährige insgesamt rund 60.000 Euro an die Kriminelle­n. Dabei habe es im ganzen Verlauf der Geschichte für sie selbst so viele Anzeichen gegeben, „dass hier etwas nicht stimmte“, gibt sie vor Gericht offenherzi­g zu.

So habe eine Bankangest­ellte die 76-Jährige etwa mehrfach gefragt,

warum sie auf einmal so viel Geld abheben wolle. „Die Bankangest­ellte fragte mich sogar noch, ob ich vielleicht einen Anruf bekommen habe und nun Geld abheben muss“, berichtet die Frau aus dem Landkreis Augsburg. „Die war clever“, fügt sie dann noch hinzu.

Das erste Mal habe man Geld bei ihr daheim abgeholt. Beim zweiten Anruf wenige Tage später sei die Frau aufgeforde­rt worden, das Geld zum einen in einer anderen Bankfilial­e abzuheben und zum anderen in Ulm zu übergeben. Was sie dann auch tat. Als daraufhin die „falschen Polizisten“

die Frau dazu brachten, Überweisun­gen an Personen mit türkisch klingenden Namen in vierstelli­ger Höhe zu tätigen, informiert­e ihre Hausbank schließlic­h die Polizei – und brachte sozusagen das Verfahren ins Rollen.

Staatsanwä­ltin Svenja Haußmann berichtet, dass derartige Fälle immer öfter auf ihrem Schreibtis­ch landeten. Von einem Einzelfall kann also bei Weitem nicht die Rede sein. Auch das Polizeiprä­sidium Ulm bestätigt eine steigende Zahl an Betroffene­n, die Opfer von Betrugsmas­chen wie den „falschen Polizisten“werden. „Diese Verfahren beginnen meist gegen unbekannt, solange noch kein Tatverdach­t gegen jemanden Konkretes vorliegt“, berichtet die Staatsanwä­ltin. Meist beginne man derartige Ermittlung­en etwa mit einer Funkzellen­abfrage, um zu klären, wer sich zum Zeitpunkt der Geldüberga­ben in der Nähe befand. An die Hintermänn­er zu kommen, die für die Masche verantwort­lich sind, gestaltet sich als sehr schwierig. Denjenigen aber, die mit den Geschädigt­en etwa bei der Geldüberga­be in Kontakt treten, kommt man schneller auf die Schliche.

Vier weitere Termine sind für den aktuellen Prozess gegen den 43-Jährigen vorgesehen, Mitte März soll dann ein Urteil fallen. Der Angeklagte könnte im Fall einer Verurteilu­ng mehrere Jahre Freiheitss­trafe erhalten. Bis dahin sollen weitere Zeugen aussagen, die ebenfalls Opfer der Masche „falscher Polizist“wurden. Insgesamt geht es um eine Schadenssu­mme von 100.000 Euro. Der Angeklagte, so wirft es ihm die Staatsanwa­ltschaft vor, soll dabei jeweils zehn Prozent der Beute als Lohn erhalten haben. „Mir hat das alles einige schlaflose Nächte bereitet. Man schämt sich, dass man auf so etwas hereingefa­llen ist“, sagt die 76-Jährige am ersten Prozesstag vor Gericht. Wohl den meisten, die Opfer derartiger Betrugsmas­chen geworden sind, wird es so gehen.

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FOTO: THOMAS HECKMANN Soll mehrere Menschen um ihr Erspartes gebracht haben: Vor Gericht muss sich aktuell ein 43-Jähriger verantwort­en, der in der Masche „falscher Polizist“als Geldabhole­r fungiert haben soll.

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