Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neuer Zoff bei Red Bull

Doppelsieg zum Auftakt der Formel-1-Saison in Bahrain wird zur Nebensache

- Von Jens Marx

(dpa) - Nach dem demonstrat­iven Kuss zwischen Teamchef Christian Horner und seiner Ehefrau zerstörte der verbale Frontalang­riff von Weltmeiste­r-Vater Jos Verstappen die letzte Hoffnung auf einen Rest Ruhe bei Red Bull. Statt sich über den souveränen Sieg seines Sohns zu freuen, befeuerte der 51-jährige Ex-Rennfahrer alle Vermutunge­n über den Machtkampf im alten und nach dem ersten Rennen im WM-Jahr 2024.

„Das Team läuft Gefahr, auseinande­rgerissen zu werden. So kann es nicht weitergehe­n“, wurde Jos Verstappen in der britischen „Daily Mail“zitiert. Er prophezeit­e: „Es wird explodiere­n.“Horner spiele das Opfer, sei aber derjenige, der die Probleme verursache. Eine Attacke desjenigen, dem der BahrainSie­ger und dreimalige Formel-1Weltmeist­er Max Verstappen am nächsten steht. Der BBC sagte Jos Verstappen, Sohn Max habe die Sätze gesehen, aber nichts dazu gesagt. Seinen Aussagen sei ein Streit in Bahrain mit Horner vorausgega­ngen, so Jos Verstappen.

Mit solch verbaler Vehemenz wurde die Zerreißpro­be im Team noch nicht öffentlich dokumentie­rt. Und das beim Einstand, der nicht besser hätte laufen können und Max Verstappen zu ersten Liebeserkl­ärungen an den neuen Wagen veranlasst­e. Er siegte von der Pole, fuhr die schnellste Rennrunde. „Wundervoll. Es ist noch besser als erwartet. Ein Genuss“, schwärmte er über den RB20.

Der Satz, den jeder Fahrer gern über sein Auto sagen würde, kam dem 26-Jährigen nach seiner Siegfahrt mit über 22 Sekunden Vorsprung

auf den Teamkolleg­en Sergio Pérez am Samstagabe­nd unter Flutlicht auf dem Kurs in Sakhir wie selbstvers­tändlich über die Lippen: „Es ist etwas Besonderes, einen dieser Tage zu haben, an denen sich alles perfekt anfühlt und du eins mit dem Auto bist.“Karriere-Sieg Nummer 55 nach der 33. Pole war der Lohn. „Max ist in einer anderen Galaxie gefahren“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Verstappen steht nicht für Spannung oder Hoffnung, sondern für Dominanz und Verzweiflu­ng der Konkurrenz“, schrieb die „Kleine Zeitung“aus Österreich.

In der Red-Bull-Zentrale in Fuschl am See werden sie die Bilder vom Doppelerfo­lg zunächst gern gesehen haben nach dem nur scheinbare­n Ende der pikanten Angelegenh­eit um Teamchef Horner. Die Beschwerde einer Mitarbeite­rin

war am Mittwoch vergangene­r Woche nach einer externen Untersuchu­ng abgewiesen worden. Tags darauf sorgten Mails mit einem Link zu Dateien in der Angelegenh­eit, neben der Forderung unter anderem von Wolff nach mehr Transparen­z, für neuen Aufruhr.

Beim Rennen bekam Horner, der die Vorwürfe abstreitet, Unterstütz­ung von seiner Frau Geri Halliwell, einst Mitglied der Spice Girls. Eher selten ist auch, dass Red Bulls Mehrheitse­igner, der thailändis­che Milliardär Chalerm Yoovidhya, bei einem Rennen ist. Nach Bahrain war er gekommen. Er gilt als klarer Fürspreche­r von Horner. Demgegenüb­er soll die Fraktion um Red Bulls Motorsport­berater Helmut Marko stehen — dazu zählen auch Jos und Max Verstappen.

Dass die Vorwürfe von einer niederländ­ischen Zeitung zuerst publik gemacht worden waren, hatte Spekulatio­nen über eine mögliche Quelle angeheizt. „Aber warum sollte ich das tun? Max hat bei Red Bull einen Vertrag bis 2028, zeigt großartige Leistungen und fühlt sich hier wohl. Daran habe ich kein Interesse“, betonte Jos Verstappen nun im „Telegraaf“.

Horner selbst betonte nach dem Sieg in Bahrain, dass er fest von seinem Verbleib als Teamchef ausgeht. „Absolut, sonst wäre ich nicht hier“, sagte er. „Ich habe die Unterstütz­ung einer unglaublic­hen Familie, einer unglaublic­hen Frau, eines unglaublic­hen Teams und von jedem in diesem Team.“

Zweifel sind erlaubt. Erst recht nach den Aussagen von Jos Verstappen. Steht am Ende die Frage: Er oder wir? Und was würde das bedeuten? Die französisc­he Sportzeitu­ng „L’Équipe“schrieb zwar wegen der sportliche­n Erfolge von einer Ehe für die Ewigkeit. Für die Konkurrent­en sei sie aber ein Albtraum. Die Rivalen dürften kein Interesse an Harmonie im Titelverte­idiger-Team haben.

Der Satz, sie können sich nur selbst im WM-Kampf schlagen, scheint wahrer denn je zu sein. Die Konkurrenz hat – Stand nach dem Auftakt – die Lücke nicht geschlosse­n. Carlos Sainz als Dritter und Charles Leclerc als Vierter waren im Ferrari gegen Verstappen chancenlos. Bei Mercedes und Rekordwelt­meister Lewis Hamilton (7. Rang) erhielt die Hoffnung zum Start in die lange Saison mit 24 Rennen und spätem Finale am 8. Dezember einen Dämpfer. Und der Rest ist auch nur der Rest weit hinter Red Bull. Ob das so bleibt, wird sich in ein paar Tagen beim Großen Preis von Saudi-Arabien zeigen.

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FOTO: IMAGO/TAIDGH BARRON Sportlich lief es für Red Bull zum WM-Auftakt, aber im Rennstall rumort es weiter gewaltig. Das Bild zeigt (v. l.) Christian Horner, Max Verstappen und Helmut Marko beim Grand Prix in Bahrain.

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