Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein paar weniger gefährliche Flecken auf der kolumbianischen Landkarte
Auch acht Jahre nach dem Friedensabkommen mit der Rebellengruppe Farc hält die Gewalt an – Immer mehr Migranten kommen in Deutschland an
- Indira Yiceth Murillo zeigt auf eine Landkarte von Kolumbien. 32 „Departamentos“sind dort eingezeichnet, neben dem Hauptstadtdistrikt Bogota. Die Projektleiterin des DeutschKolumbianischen Friedensinstituts Capaz tippt auf einige dieser Bundesländer und erklärt, wie gefährlich es dort ist: Beispielsweise Choco, direkt an der Pazifikküste im Westen des Landes: riskant. Ebenso wie Cauca und Valle del Cauca. Auch die Grenzregionen zu Venezuela sollten Besucher meiden. In Meta, einem großen Bundesland in der Mitte Kolumbiens, hat sich die Sicherheitslage dagegen wohl verbessert.
Doch unterm Strich sind im ganzen Land Waffen und Gewalt verbreitet – mal mehr, mal weniger. Die damalige kolumbianische Regierung hat zwar 2016 ein Friedensabkommen mit der Rebellengruppe Farc unterzeichnet, doch den ersehnten Frieden brachte dies nicht. Nach wie vor ist die zweite große Guerillagruppe ELN aktiv, auch die Farc wurde von anderen kriminellen Organisationen
ersetzt, die in ihren Landstrichen das Sagen haben. Die prekäre Sicherheitslage in Kolumbien, gepaart mit der Armut der Landbevölkerung und 2,5 Millionen Gef lüchteten aus Venezuela wirken sich immer stärker auch auf Deutschland und die gesamte Europäische Union aus.
63.100 Kolumbianer haben nach Angaben des Mediendienstes Integration, der sich auf Zahlen der Asylagentur der Europäischen Union beruft, 2023 einen Asylantrag in der EU gestellt. Damit lagen sie auf Platz fünf hinter Syrien, Afghanistan, der Türkei und Venezuela. Allerdings waren nur sieben Prozent mit ihrem Antrag erfolgreich, da sie von den Behörden in den allermeisten Fällen nicht als politisch verfolgt anerkannt werden. In Deutschland stellten im Januar 2024 laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 455 Kolumbianer einen Antrag auf Asyl – obwohl auch sie keine Aussicht auf Erfolg haben. Im gesamten Jahr 2023 waren es 3337. In der Liste der Herkunftsländer kam Kolumbien im Januar bereits auf Platz zehn.
Für die Bundesregierung ist so eine etwas paradoxe Situation entstanden: Einerseits wirbt sie weltweit um Arbeitskräfte – und zwar nicht nur um hoch qualifizierte –, um den Mangel an Arbeitsfähigenund -willigen hierzulande auszugleichen. Andererseits müsste sie die Kolumbianer, die mit einem Touristenvisum nach Deutschland einreisen und dann erfolglos einen Asylantrag stellen, in ihr Heimatland zurückschicken. Einen Weg aus dieser Bredouille soll ein sogenanntes Migrationsabkommen eröffnen, über das derzeit verhandelt wird.
Zu diesem Zwecke war auch Joachim Stamp, Sonderbevollmächtigter
der Bundesregierung für Migrationsabkommen, vor Kurzem in Bogota vor Ort. Verabredet wurde bei seinem Besuch eine „enge Kooperation zur Steuerung der Migration“. Soll heißen: Deutschland will abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht „konsequent“nach Kolumbien zurückschicken. Auf der anderen Seite soll es für kolumbianische Arbeitskräfte einfacher werden, „vorübergehend oder auf Dauer“in Deutschland zu arbeiten.
Auch beim Besuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stand das Migrationsthema auf der Agenda – neben der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität mit all ihren Geschäftsmodellen. Denn dass die steigenden Migrationszahlen eine direkte Folge der prekären Lebensverhältnisse in vielen Teilen des Landes sind, ist allen Beteiligten klar. Umso wichtiger scheint es für die kolumbianische Seite zu sein, dem Besuch aus Deutschland zu demonstrieren, dass keine Mühen gescheut werden, gegen die Drogenkartelle im Land vorzugehen. 305.000 Polizisten arbeiten für die „Policia Nacional de Colombia“, der größten Polizeiorganisation des Landes.
Zu Ehren der Gäste aus Deutschland hat die kolumbianische Rauschgift-Bekämpfungsbehörde Diran in einem Museum am Flughafen eine kleine Ausstellung aufgebaut. Auf dem einen Tisch liegen Schusswaffen in allen Größen und Ausstattungen, auf einem anderen Detektoren, die zum Aufspüren von Anti-Personen-Minen gebraucht werden. Auch Drohnen sind bei der kolumbianischen Polizei im Einsatz, wie Edwin Espejo erklärt. Mit ihnen werden Anbaugebiete, Verkäufer und Konsumenten ausgekundschaftet, ohne verdeckte Ermittler in Gefahr zu bringen.
Die kolumbianische Polizei erinnert gerne an ihre Erfolge, beispielsweise an den Kampf gegen das Medellin-Kartell des berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar vor mehr als 30 Jahren. In der Gegenwart gibt es allerdings wenig Positives zu vermelden. Der KokaAnbau in Kolumbien hat neue Höchstwerte erreicht. Nach UNAngaben lag die Anbauf läche 2022 bei 230.000 Hektaren, das waren 13 Prozent mehr als im Vorjahr.