Schwäbische Zeitung (Biberach)
Roter Bürgermeisterkandidaten stellen sich vor
Irene Brauchle nimmt Stellung zu den Verleumdungen, die im Internet über sie und ihre Familie kursieren
- Am 14. April entscheiden die Bürgerinnen und Bürger von Rot, wer künftig im Rathaus sitzen wird. Und wer bei der Vorstellung der Kandidaten am Freitagabend war, weiß: Der Ausgang dieser Wahl ist noch nicht entschieden. Zur Wahl stellen sich Amtsinhaberin Irene Brauchle und ihr Gegenkandidat Andreas Maaß. Viele Einwohner waren in die Roter Festhalle gekommen, um sich die Argumente der Kontrahenten anzuhören.
Das Los hatte entschieden, dass Andreas Maaß sich zuerst vorstellen durfte. 20 Minuten hatte er Zeit, die Bürger von sich zu überzeugen. Als Herausforderer hat er den Vorteil, dass er bisher noch nicht in Rot in der Verantwortung steht und daher so ziemlich alles versprechen und gleichzeitig kritisieren kann, was er will. Im Laufe des Abends zeigte sich jedoch, dass er zumindest jetzt noch nicht mit allen Fakten vertraut ist bezüglich der aktuellen Projekte in Rot.
Maaß ist Diplom-Verwaltungswirt, seit 25 Jahren im öffentlichen Dienst tätig und seit 2013 Stadtkämmerer in Vöhringen. Es sei das erste Mal, dass er sich irgendwo als Bürgermeister bewerbe, eine Verwandte habe ihn darauf gebracht. Privat sei er 25 Jahre im Musikverein gewesen und bis heute Jugendfußballtrainer. „Ich weiß daher, was es heißt, sich ehrenamtlich einzubringen“, so Maaß.
Den aktuellen Haushaltsplan, den der Gemeinderat vor Kurzem verabschiedet hatte, sehe er kritisch. Da für das Wasserversorgungssystem ein Sonderhaushalt gebildet worden sei, verschleiere dies die Tatsache, dass die ProKopf-Verschuldung in Rot relativ hoch sei – was faktisch tatsächlich richtig ist. Dass dies jedoch in vielen Kommunen so gehandhabt wird, erwähnte er nicht.
Zweitens sehe er es kritisch, dass für 2024 nur Planungsgelder für den Umbau der Schule in Rot eingestellt worden seien, aber kein Geld für die tatsächliche Sanierung. Werde er gewählt, wolle er dafür sorgen, dass die Arbeiten am Gebäude schneller beginnen würden. Drittens bemängelte er, dass es beim Wasserversorgungssystem einen Investitionsstau von 19 Millionen gebe. Diese Behauptung ist jedoch nicht richtig und sorgte bei manchem anwesenden Gemeinderat für Unmut, denn den früheren Sanierungsstau in diesem Bereich hatten sowohl Robert Balle als auch Irene Brauchle in den vergangenen Jahren bereits schrittweise abgebaut.
Im Falle seiner Wahl wolle er zudem dafür sorgen, dass es mehr
Treffpunkte für Jugendliche gebe und bessere Öffnungszeiten im Rathaus. Mit ihm werde es eine offene Kommunikation auf Augenhöhe geben. Zudem wolle er dafür sorgen, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort wachse. „Ich will unbedingt mit Ihnen die Zukunft von Rot gestalten und will Lösungen für die Herausforderungen finden, die anstehen“, so sein Schlussplädoyer.
Danach gab es eine zwanzigminütige Fragerunde. Dabei ging es unter anderem erneut um das Thema Schule, die Quellfassung in Haslach, seine Gründe für seine Bewerbung und wie er das Problem lösen wolle, dass das Nahwärmenetz jedes Jahr rote Zahlen schreibe. Maaß sagte, dass er dieses Problem auf jeden Fall angehen werde. Prinzipiell müssten mehr Haushalte an das Netz angeschlossen werden, um es lukrativer zu machen. Und um mehr Einnahmen im Haushalt zu generieren, müsse die Gemeinde dem Gewerbe im Ort ermöglichen zu erweitern.
Nach ihm trat Irene Brauchle ans Podium und ging direkt in die Offensive. Die amtierende Bürgermeisterin wurde in den vergangenen Wochen massiv im Internet und in den sozialen Medien verleumdet. „Die Gerüchteküche brodelt und verbreitet mit ständig neuen Zutaten unglaubliche Lügenmärchen über mich und meine Familie“, sagte sie sichtlich bewegt. Daher sei es an der Zeit,
ein paar Dinge klarzustellen. Eins dieser Gerüchte, das mehrere Gemeinderäte noch während der Veranstaltung auf Nachfrage direkt dementierten: Der Gemeinderat sei total mit ihr zerstritten und würde geschlossen zurücktreten, wenn sie erneut gewählt würde. Gerücht Nr. 2: Sie würde sich bereichern, indem sie übriges Mensaessen unrechtmäßig zur Verfütterung weitergebe und dafür von den Bauern regelmäßig eine halbe Sau bekäme. Gerücht Nr. 3: Die Gemeinde würde immense Summen für Rechtsstreite, Anwälte und Gerichtsverfahren ausgeben, um so „ungehorsame“Bürger zu drangsalieren. „Und weil das keine Basis für eine ordentliche Wahlentscheidung ist, lassen Sie uns mal schauen, was wirklich Sache ist“, so Brauchle. „Denn ich bin mir sicher: Sie sind mehr an Fakten als an Gerüchten interessiert.“
Sachlich widerlegte sie diese Verleumdungen mit Zahlen. Allein in den vergangenen acht Jahren hat der Gemeinderat rund 1000 Beschlüsse gefasst und einig waren sich Bürgermeisterin, Verwaltung und Gemeinderat bei über 99 Prozent der Entscheidungen. Zerstritten sehe anders aus. Beim Thema Rechtsstreit werde gerne versucht, ein Bild vom „Paragrafenmonster Brauchle“zu zeichnen, die permanent redliche Bürger vor’s Gericht zerre. Aber das sei Quatsch. Die Gemeinde Rot habe im Durchschnitt gerade
einmal 20.000 Euro pro Jahr für juristische Beratungen zu allen möglichen Themen ausgegeben. Das sei ein völlig normaler Wert für eine Gemeinde dieser Größe. Und dass sie durchaus unbürokratisch sein könne, habe sie bei dem schweren Hochwasser 2021 in Ellwangen gezeigt. Bereits am nächsten Morgen um sechs Uhr standen die ersten Container, sie sei selbst nachts vor Ort gewesen und die Tage darauf auch. Und was das Gerücht mit dem Essen angehe: Die Gemeinde habe mit einem Caterer einen Vertrag, der das restliche Essen stets regelkonform entsorge.
Bei dem, was im Internet stehe, werde oft der Eindruck vermittelt, es wären Fakten. „Wer mich kennt, weiß, dass dies einfach ungeheuerliche Verleumdungen sind, die mich nur darin bestärken, auch weiterhin geradlinig und ehrlich mein Amt auszuführen. Als Beamtin und Bürgermeisterin habe ich einen Eid geschworen. Und dazu stehe ich“, so Brauchle. „Und es widert mich an, wenn mit Diffamierungen und dummen Gerüchten versucht wird, auf Wahlen Einfluss zu nehmen.“Für Rot gehe es daher um die Frage des Umgangs miteinander, auch über die Wahl hinaus. Um Fairness und Anstand. Es gehe um Rot und um menschlichen Respekt in der Gesellschaft.
Kurz ging die Amtsinhaberin danach noch auf ihre Bilanz der
letzten acht Jahre ein. Gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Verwaltung hätten die Bildungsthemen im Vordergrund gestanden: die Sanierung und der Umbau der Kindergärten und Schulen in Haslach und Ellwangen, dass aufgrund des guten Rufs die Schülerzahlen in Rot sich fast verdoppelt hätten und deswegen auch da ein Neubau in Planung sei. In Haslach gibt es eine neue Mehrzweckhalle, es gebe nach langer Pause wieder Bauplätze und weitere Gewerbef lächen seien in Planung. In drei bis fünf Jahren seien alle Häuser und Gehöfte ans Glasfasernetz angeschlossen, zum Nulltarif, da der Ausbau an die OEW vergeben wurde.
Die Gemeinde habe in den vergangenen Jahren mit rund 67 Millionen Euro eine Rekordsumme investiert. Der Investitionsstau beim Thema Wasserversorgungsnetz sei nahezu abgebaut. Das Thema Nahwärme werde sie als Chefsache behandeln und das Netz, wo möglich, optimieren. „Sie sind clever und selbstbewusst. Lassen Sie sich kein X für ein U vormachen. Ich bin sicher, Sie treffen die richtige Wahl“, schloss Brauchle ihre Rede. In der Fragerunde ging es erneut um die Themen Breitbandausbau, den Steg am Fuchsweiher, zukünftige Baustellen und den zusätzlichen Neubau an der Schule. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und steht voraussichtlich ab Montag online bereit.