Schwäbische Zeitung (Biberach)
Potenzial für eine Seifenoper
Wäre der VfB Stuttgart eine Seifenoper, würde der geneigte Konsument irgendwann denken, dass es langsam mal reicht mit immer denselben Handlungssträngen. Ständig gibt es Ränkespiele und immer wieder sind die gleichen Personen involviert. Doch der VfB ist eben nicht „Gute Zeiten, schlechte Zeiten”. Präsident Claus Vogt spielt eben nicht die Rolle des Dauerschurken Jo Gerner, der in der Serie Intrigen spinnt, um die Zuschauer zu bespaßen und am Ball zu halten. Das haben die Stuttgarter nicht nötig – und umso trauriger ist die aktuelle Gemengelage infolge der Vogt-Abberufung vom AG-Vorsitz. Die Fans wären froh, wenn sie sich endlich wieder voll auf den Fußball konzentrieren und die überragende Leistung genießen könnten. Das Fanherz könnte, die Champions League vor Augen, hüpfen, doch ist der VfB eben das, was er immer war, ein Verein für Beziehungsspielchen.
Seit Jahren gibt es Unruhe in der Führungsetage. War Präsident Wolfgang Dietrich, der von 2016 bis 2019 amtierte, den Fans aufgrund seines rein wirtschaftlichen Denkens und Führungsstiles nicht grün, sind sie nun von den Eskapaden um ihren einstigen Liebling Vogt genervt. Besonders bitter: An diesem Punkt war der Verein bereits, als der damalige Sportvorstand Thomas Hitzlsperger im Dezember 2020 in einem offenen Brief Vogts Führungsqualitäten anzweifelte. Der Ausgang ist bekannt: Hitzlsperger war kurze Zeit später Geschichte. Doch die Diskussionen und Machtspielchen sind es bis heute nicht. Eher brennen sie höher denn je und wurden noch um die einflussreiche Komponente des Investors Porsche erweitert.
Dass die Fanszene nun Vogt und auch Vizepräsident Rainer Adrion zum Rücktritt zwingen will und den Einfluss des Investors geklärt haben möchte, ist nur nachvollziehbar. Es gibt hier nicht nur den Alleinschuldigen. Alle Beteiligten sind gut beraten, sich ihrer Rolle bewusst zu werden und bis zur Mitgliederversammlung ein Konzept vorzulegen, ob und wie es weitergehen könnte. Dann sollen die Mitglieder entscheiden. Nur so können die Früchte des sportlichen Höhenfluges kommende Saison unbeschwert genossen werden.