Schwäbische Zeitung (Biberach)
Erster Preis für Renner-Trio aus München
Internationaler Biberacher Jazzpreis 2024 mit starker Resonanz
- Mit über 30 zumeist hochkarätigen Bewerbungen hat sich der 15. Biberacher Jazzpreis seit 1990 erneut als außerordentlich beliebt erwiesen, ist er doch nach wie vor einer der wenigen international ausgeschriebenen Wettbewerbe ausschließlich für jugendliche Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker. Das hohe Niveau der fünf zum Finale zugelassenen Formationen kommentierte Jurymitglied Oliver Hochkeppel als Ergebnis einer schwierigen Auswahl der Allerbesten aus den sehr Guten. Neben dem breiten stilistischen Spektrum – von Straight Ahead Jazz über A-cappella-Gesang zu Samba und einer Jazz-Avantgarde in kammermusikalischer Komplexität – hinterließ auch die starke Publikumsresonanz beim spannenden Finale in der stilvoll aufbereiteten Stadthalle bei den Veranstaltern, dem rührigen Jazzclub und dem Kulturamt Biberach, nur zufriedene Gesichter.
Nach der Begrüßungsrede der Kulturamtsleiterin Dorothea Weing nahm das durchgetaktete musikalische Kräftemessen seinen Gang. Der ausgelosten Reihenfolge verdankte Bluff den eher ungeliebten ersten Auftritt. Nach der mitreißenden Darbietung des in Berlin und Hamburg verorteten Quartetts und mit Malte Wiest einem Local Hero am Schlagzeug, glaubten bereits viele Besucher, den späteren Sieger oder doch zumindest Publikumssieger gehört zu haben.
Doch bereits die folgende Formation, das fünfköpfige A-cappella-Ensemble Lylac aus Mainz, verblüffte durch seine Qualität und Komplexität der Eigenkompositionen und besonders durch
die Perfektion der stimmlichen Umsetzung. Die Improvisationsanteile fielen aber spärlich aus. Das Quartett der Stuttgarter Schlagzeugerin Lisa Wilhelm wartete mit fantasievollen, lyrischen Sujets auf. Die Dramaturgie in der Abfolge der nicht auf Effekte getrimmten Stücke war aber unglücklich gewählt, die Bühnenpräsenz ausbaufähig, die Anspannung spürbar.
Der Kontrast zum Renner-Trio aus München war mit Händen zu greifen. Nur mit Posaune, Kontrabass und Schlagzeug zauberten die drei Künstler ein rhythmischmelodisches Gef lecht, in dem das fehlende Harmonieinstrument keinen Mangel, sondern eine Inspiration
darstellte. Die weich und sonor klingende Posaune von Moritz Renner, etwa in seiner Eigenkomposition „Motus“mit einer „Multiphonics-Hommage“an Albert Mangelsdorff versehen und einem packenden, melodischen Kontrabass-Solo der aus Basel angereisten Tabea Kind aufgewertet, fand ihren Kontrapunkt im ebenso quirligen wie vielschichtigen und präzisen Schlagzeugspiel seines Bruders Valentin.
Valentin ist auch Mitglied in dem gerade erst in Köln mit dem deutschen Jazzpreis 2024 als bestes Ensemble ausgezeichneten Shuteen Erdenebaatar Quartet, welches das Kurzkonzert vor der Preisverleihung gestaltete. Die aus Ulan Bator in der Mongolei stammende Pianistin, Komponistin und Bandleaderin hatte vor zwei Jahren den Kompositionspreis und zweiten Rang beim Biberacher Jazzpreis errungen und toppte mit ihrem frisch gekürten Quartett auch das davor schon sensationell aufspielende Duo Scheugenpf lug Langguth, das unangefochten den Publikumspreis errang.
Lukas Langguth gewann 2021 mit einem konzertanten Beitrag die Solistenwertung des jungen Münchner Jazzpreises, Paul Scheugenpf lug das diesjährige Frankfurter Jazzstipendium. Vor allem die Komposition „Orakel“, mit einer Widmung an alle „Schwarzseher“versehen, dürfte im Gedächtnis bleiben, kommentierte sie der Komponist doch mit einem griffigen Kalenderspruch: „Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viele.“Unmittelbar nach der Ansage begann Paul Scheugenpflug am Sopransaxofon in tiefer Lage „herumzunudeln“, um aus dem „Genudel“schließlich eine weitgespannte Melodie zu entwickeln, die vom Klavier aufgegriffen, harmonisch definiert und mit Tonkaskaden verziert wurde: musikalische „Pasta Al Dente“mit der nötigen Würze.
Als Gesamtsieger mit einem Preisgeld von 2000 Euro stieg jedoch das Münchner Renner-Trio aufs höchste Treppchen, gefolgt von dem aus Stadtbergen bei Augsburg angereisten Duo Scheugenpflug Langguth mit 1000 Euro und 500 Euro für den Publikumspreis obendrauf. Der dritte Platz ging mit 500 Euro an Bluff. Das Preisgeld für das Vokalensemble Lylac auf Rang vier wurde durch den Kompositionspreis auf 800 Euro erhöht. Auch der Preis für Platz fünf dürfte die entstandenen Fahrtkosten deutlich übertroffen haben.
Nach Aussage fast aller Finalisten bemisst sich der Wert des Biberacher Wettbewerbs aber nicht aus der Höhe der Preisgelder, sondern aus dessen Renommee in der Fachwelt, aus der Gelegenheit, mit anderen jungen Künstlern zusammenzutreffen, deren Beiträge zu verfolgen, sich auszutauschen, zu feiern, mit den Juroren fachzusimpeln und Kontakte zu knüpfen.