Schwäbische Zeitung (Biberach)
Großprozess gegen Prinz-Reuß-Gruppe in Stuttgart läuft
Neun mutmaßliche „Reichsbürger“sollen Umsturz in Deutschland geplant haben – Zwei Angeklagte zur Aussage bereit
(AFP/dpa) - In Stuttgart-Stammheim hat am Montag der erste von drei geplanten Großprozessen rund um die Gruppe mutmaßlicher „Reichsbürger“begonnen, die den Sturz der deutschen Demokratie geplant haben soll. Die am Oberlandesgericht verlesene Anklage klang teils bizarr, doch barg die sogenannte Prinz-Reuß-Gruppe nach Auffassung der Bundesanwaltschaft ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“. Ihre Mitglieder sollen an verschiedene Verschwörungsmythen geglaubt und die demokratische Ordnung abgelehnt haben.
Im Stuttgarter Prozess wollen sich zwei der neun Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Sie seien bereit, Angaben zur Person und zur Sache zu machen. Ein weiterer Angeklagter kündigte am Montag an, Angaben zur Person, aber nicht zur Sache machen zu wollen. Die restlichen sechs Angeklagten wollen überhaupt keine Angaben machen.
Wie die Anklagevertreter vortrugen, sollen die Verdächtigen davon überzeugt gewesen sein, dass Deutschland von einer „verschwörerischen Sekte pädophiler Eliten“beherrscht werde, deren Gegenspieler eine sogenannte Allianz sei, ein Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA. Von dieser – in Wirklichkeit nicht existierenden – „Allianz“sollen sie sich die Befreiung Deutschlands erhofft haben.
Dabei soll die Gruppe zunächst geplant haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten zu erreichen. Sie sei davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerung „aufwachen“und sich hinter sie stellen werde, führte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft aus. Die Mitglieder hätten gewusst, dass es bei der von ihnen geplanten Machtübernahme Tote geben könnte. Nach dem Umsturz war Heinrich XIII. Prinz Reuß als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehen.
Die neun Angeklagten, die in Stuttgart vor Gericht stehen, sollen größtenteils dem militärischen Arm der Gruppe angehört haben. Laut Anklage begann die Gruppe mit dem Aufbau sogenannter Heimatschutzkompanien, die den Umsturz auf regionaler Ebene hätten durchsetzen sollen. Die Vorbereitungen seien in Baden-Württemberg und Thüringen recht weit gewesen: Hier hätten zwei örtliche Kompanien bereits aktiv werden können.
Allen in Stuttgart Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Zwei von ihnen sind außerdem wegen Waffendelikten, einer wegen versuchten Mordes angeklagt. Der Prozess in Frankfurt, in dem Reuß selbst vor Gericht steht, beginnt am 21. Mai, der Münchner Prozess am 18. Juni.