Schwäbische Zeitung (Biberach)

Brückenbau­er in stürmische­r Zeit

Inmitten schwerer weltweiter Krisen wird UN-Generalsek­retär Guterres 75 Jahre alt

- Von Jan Dirk Herbermann

(epd) - UN-Generalsek­retär António Guterres steht vor einem großen Geburtstag. Der unermüdlic­he Portugiese wird am 30. April 75 Jahre alt. Doch dürfte der oberste UN-Beamte seinen Ehrentag eher leise begehen. Der Zustand der Welt ist zu ernst, um eine große Party zu schmeißen.

Guterres muss ein Gemisch aus globalen Krisen bewältigen, das er selbst als „apokalypti­sch“bezeichnet: Die vielen Kriege und Konflikte wie in der Ukraine, in Nahost oder dem Sudan, Hunger, Armut und der fortschrei­tende Klimawande­l fordern die ganze Kraft des neunten Generalsek­retärs, der Ende 2026 die UN verlassen wird.

Der Ex-Präsident der Sozialisti­schen Internatio­nalen und ehemalige Regierungs­chef Portugals wirbt für sich als „ehrlichen Makler“, als „Brückenbau­er“, der auf Lösungen für die brennenden globalen Probleme fokussiert ist. Dabei ist sich Guterres der Grenzen bewusst: Der Generalsek­retär verfügt über keinerlei Weisungsbe­fugnis gegenüber den Mitgliedsl­ändern der UN, als seine stärkste Waffe setzt er das Wort ein.

„Guterres ist ein sehr kluger Mann, und ich glaube, dass er sich seiner Rolle bei den Vereinten Nationen sehr widmet“, sagt der UNDirektor der Internatio­nal Crisis Group, Richard Gowan. „Aber er hat das Pech, die Organisati­on in einer Zeit zu führen, in der globale Spannungen die internatio­nale Zusammenar­beit immer schwierige­r machen.“

Aussagen zum Nahost-Krieg brachten Guterres erhebliche­s Ungemach. „Es ist auch wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattgefun­den haben“, sagte Guterres kurz nach dem Terrorüber­fall auf Israel und verwies auf die lange Leidensges­chichte der palästinen­sischen Bevölkerun­g.

Israels Regierung verlangt seitdem den Rücktritt des UN-Generalsek­retärs – eine eher ungewöhnli­che Forderung im diplomatis­chen Verkehr. „Guterres verdient nicht, an der Spitze der Vereinten Nationen zu stehen“, sagte 2023 der damalige Außenminis­ter Israels, Eli Cohen.

Guterres kam 1949 in Lissabon zur Welt und musste die Enge der Salazar-Diktatur ertragen. Seine politische Laufbahn nahm 1974 Fahrt auf, im Jahr der portugiesi­schen Nelken-Revolution, als der Elektroing­enieur der Sozialisti­schen Partei beitrat. Der pragmatisc­he Idealist krönte seine nationale Karriere 1995, er wurde Regierungs­chef seines Heimatland­es. Persönlich musste der gläubige Katholik 1998 einen schweren Schicksals­schlag hinnehmen: Seine erste Frau starb mit 51 Jahren. Später heiratete er erneut. Von 2005 bis 2015 diente Guterres als UN-Hochkommis­sar für Geflüchtet­e. Damals verlangte er einen internatio­nalen Schultersc­hluss angesichts der aufziehend­en Migrations­krise. Es war ein Appell, der nicht gehört wurde.

Seinen größten Erfolg als UNChef konnte Guterres wenige Monate nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine verbuchen: die Schwarzmee­r-GetreideIn­itiative vom Juli 2022, die der Generalsek­retär selbst einen „Hoffnungss­chimmer“inmitten des Blutvergie­ßens nannte. Guterres und die Türkei brachten Russland dazu, Lebensmitt­elexporte aus der Ukraine über das Schwarze Meer passieren zu lassen. Allerdings beendete Moskau nach einem Jahr die Vereinbaru­ng.

Dass bereits seine erste Amtszeit schwierig werden würde, war von Anfang an klar. Denn im selben Monat, in dem Guterres im Januar 2017 UN-Generalsek­retär wurde, zog Donald Trump als neuer US-Präsident ins Weiße Haus in Washington ein. In den darauffolg­enden vier Jahren musste der Portugiese mit der USKonfront­ationspoli­tik gegen die Vereinten Nationen umgehen. Allerdings wurde er nie persönlich angegriffe­n. So vermied Guterres im Gegenzug kritische Worte gegen Trump.

Dennoch dürfte dem gewieften Politfuchs eine mögliche zweite Amtszeit Trumps ab 2025 schon jetzt Kopfzerbre­chen bereiten. „Es wäre Guterres nicht zu gönnen, dass er sich noch einmal mit Trump herumschla­gen muss“, sagt ein europäisch­er UNDiplomat.

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FOTO: XIE E/IMAGO Der Portugiese António Guterres steht noch bis Ende 2026 als Generalsek­retär an der Spitze der vereinten Nationen.

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