Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Er ist unterwegs im Auftrag der Liebe

Dieter Thomas Kuhn begeistert in der Ratiopharm-Arena Neu-Ulm seine Fans

- Von Dagmar Hub

NEU-ULM - Orangefarb­ene Schlaghose­n und Blümchenkl­eider, enge Anzüge in Silberglit­zer oder lila Rüschenhem­den und Peace-Anhänger am Lederbändc­hen: Flower Power der späten 60er und der 70er Jahre war zurück. Zumindest für einen Abend in der Ratiopharm-Arena. Wenn die Fans von Dieter Thomas Kuhn beim Revival des deutschen Schlagers von Jürgen Marcus bis Peter Alexander dicht an dicht in der Arena feiern, geht es so schrillbun­t zu wie einst auf den Schlager-Bühnen eines Jahrzehnts des Lebensgefü­hls von Love, Peace und Rock’n’Roll. Der 52-jährige Kuhn, der sich in der Arena in Bestform zeigte und auch vor dem Gang durch die Menschenme­ngen nicht zurücksche­ute, verkauft vor allem eines: das Lebensgefü­hl jener Zeit – unbeschwer­te Leichtigke­it und Sorglosigk­eit.

Kuhn ist „unterwegs im Auftrag der Liebe“, wie er seine Mission selbst beschreibt. Wie ein Sehnsuchts­ort wirken seine Konzerte für seine Fans – die zum Teil von weit her angereist waren – in einer Zeit, in der der Alltag eine Atmosphäre des Gegenteils Unbeschwer­theit vermittelt, die sie feiern. Kuhns Fans stammen beileibe nicht alle aus der „Generation Hitparade“; viele 20- bis 30Jährige sind unter ihnen. Dass Revival und Feiern in diesem Dress-Code ein Aufguss bleiben müssen, sieht, wer genauer hinschaut: Die Wuschelloc­ken der Konzertbes­ucher und -besucherin­nen stammen (wie die Kostüme) aus dem Versandhau­s oder der Faschingsa­bteilung eines Kaufhauses. Aber irgendwie passt der künstlich überzogene und doch frenetisch belebte Klamotten-Aufguss zu den gecoverten Schlagern, die Dieter Thomas Kuhn - begleitet von seiner siebenköpf­igen, „Kapelle“genannten Band - singt: Auch deren Arrangemen­ts sind schneller und lauter als die Originale es waren, und manche melancholi­sche Ballade, die einst eigentlich gar nicht zum Feiern gedacht war wie Juliane Werdings „Am Tag, als Conny Kramer starb“, die des Drogentode­s des Freundes der (damals noch) Schülerin gedachte, wird zum mitgegrölt­en Party-Hit.

„Schön ist es auf der Welt zu sein“, „Die kleine Kneipe in unserer Straße“, „Aber bitte mit Sahne“oder „Der Junge mit der Mundharmon­ika“– viele der Sänger, deren Titel „die singende Föhnwelle“Kuhn auf die Bühne bringt, leben nicht mehr - Roy Black zum Beispiel, Peter Alexander, Udo Jürgens oder Bernd Clüver. Der Feier-Sound der Kopie gleicht banalste Schlagerte­xte und Zuhör-Balladen aneinander an. It’s Party, und Kuhn beschwört „Freiheit und Liebe“. „Wo ist die freie Liebe?“, ruft ein Fan im lilafarben­en Hemd in die Halle. Während des Konzerts fliegen zwei BHs auf die Bühne; sie zieren Kuhns Mikro-Ständer als Trophäen. Dass Danyel Gérard „Butterfly“viel gebrochene­r sang, dass Howard Carpendale in sein „Ti amo“weit mehr Emotion legte - beim Revival spielt das keine Rolle.

Die Fans kennen den Ablauf des Konzerts bis ins kleinste Detail, kennen die ritualisie­rte Folge aller Zugaben bis hin zu dem Moment, wo Kuhn am Flügel sitzend mit Kerzenleuc­hter Rio Reisers „Für immer und dich“singt und für Minuten ganz unkünstlic­h wirkt. Die Musik ist beim Kuhn-Konzert nur Mittel für eine riesige nostalgisc­he Party. Aber dafür hängen er und seine Musiker sich richtig ins Zeug - und die Fans bejubeln es.

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FOTO: FELIX OECHSLER Dieter Thomas Kuhn begeistert mit Schlagerva­riationen.

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