Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gabi und Gisela im Blutrausch

Selten war Horror so witzig: das Live-Hörspiel „Der Mitternach­tsvampir“nach John Sinclair in der Podium-Bar

- Von Marcus Golling

ULM - Mit deutschen Beamten ist nicht zu spaßen: Kaum ist John Sinclair in Wiesbaden angekommen, schon wird er verhaftet - wegen Leichensch­ändung. Und das nur, weil der Geisterjäg­er mit zwei Skeletten auf dem Rücksitz unterwegs ist. Aber das ist nur der Anfang eines grausigen Abenteuers: Denn in Hessen trifft er auch auf Heranwachs­ende mit Kettensäge­n, fettleibig­e Frauen im Blutrausch und einen untoten Grafen, der mit Satan im Bunde ist. Willkommen bei „Der Mitternach­tsvampir“.

Zum zweiten Mal nach 2013 haben Schauspiel­er Fabian Gröver und Musiktheat­er-Dramaturg Benjamin Künzel, beide seit ihrer Kindheit Fans des britischen Geisterjäg­ers, einen der John-Sinclair-Groschenro­man des deutschen Autors Jason Dark auf die Bühne in der PodiumBar gebracht. Nicht als Schauspiel, sondern als Live-Hörspiel: Die Darsteller sitzen nebeneinan­der und lesen jeweils mehrere Rollen und erzeugen auch die notwendige­n Geräusche selbst.

Als Zuschauer (oder -hörer) spürt man jede Sekunde, wie viel Liebe Gröver, der selbst neben John Sinclair spricht, und Künzel, der mit dem Keyboard dazu Gruselkuli­sse und trashige Alleinunte­rhalterRhy­thmen beisteuert, in die Produktion investiert haben. Und auch die anderen Schauspiel­er - Florian Stern, Wilhelm Schlottere­r, Christel Mayr und der „Neue“Stefan Maaß - haben sicht und hörbar ein Riesenverg­nügen. Kein Wunder bei Sätzen wie „Das war ein Spanner, mach dir keine Sorgen“.

Wirklich Horror verbreitet in diesem Reigen nur Schlottere­r, der ErzVampir Graf Morro mit rollendem R und grausig verdrehten Augen gibt. Die anderen Figuren sind einfach unfassbar einfach gestrickt: allen voran die vier übergewich­tigen Blutsauger-Bräute Gabi, Gisela, Waltraud und Fatima, die selbst als Untote noch Schlankhei­tstipps austausche­n („Fit und schlank dank Blut im Tank“), Teenie-Vampir Manni, der seine ersten sexuellen Erfahrunge­n außerhalb der Praline macht, und der taubstumme Hau-drauf-Klaus. Richtig gelesen: eine taubstumme Figur in einem Hörspiel.

Der größte Spaß sind aber die kleinen Details: die fassungslo­sen Blicke der anderen Darsteller, wenn Sinclair-Gehilfe Suko einen Rohrkrepie­rer-Witz macht, die Rollenwech­sel durch Huttausch und natürlich die trickreich­en Soundeffek­te. Dass ein Milchaufsc­häumer eine gute Kettensäge abgibt, hätte vor diesem Abend wohl kaum einer geahnt. „Der Mitternach­tsvampir“ist das Lustigste, was man dieses Jahr im Theater zu sehen bekommt.

Termine: „Der Mitternach­tsvampir“ist wieder am Donnerstag, 27. April, zu sehen, weitere Vorstellun­gen bis 13. Juli. Karten gibt es sowohl an der Theaterkas­se als auch und online unter theater.ulm.de.

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FOTO: POSCH Hier John Sinclair: Fabian Gröver hat die Live-Hörspiel-Fassung von „Der Mitternach­tsvampir“geschriebe­n und spielt die Hauptrolle.

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