Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der falsche Angeklagte

Prozess: Junger Mann in Ehingen vom Verdacht des Betrugs mit FC-Bayern-Eintrittsk­arten freigespro­chen

- Von Andreas Wagner

EHINGEN - Vom Verdacht des betrügeris­chen Handels mit Eintrittsk­arten von Spielen des Fußball-Bundesligi­sten Bayern München ist ein junger Mann freigespro­chen worden. Richter Wolfgang Lampa sah es bei der Verhandlun­g im Amtsgerich­t Ehingen als erwiesen an, dass ein anderer für den Betrug in sechs Fällen und mit einer Schadenssu­mme von insgesamt 800 Euro verantwort­lich ist und der junge Mann arglos in die Angelegenh­eit hineingezo­gen worden war.

Es war eine Zufallsbek­anntschaft. Beide Männer, Angeklagte­r und mutmaßlich­er Täter, teilten während eines Klinikaufe­nthalts im Herbst 2015 ein Zimmer. Der Angeklagte fasste Vertrauen in den Zimmerkoll­egen und überließ ihm sogar seine Bankverbin­dung – für angebliche Überweisun­gen des Bruders. Dass dies nicht stimmte und sich dahinter ein betrügeris­cher Handel mit BayernTick­ets über eine Facebook-Seite verbarg, „habe ich nicht mitgekrieg­t“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Er, der zu dieser Zeit keine eigene Facebook-Seite hatte, habe auch seine Kontoauszü­ge nicht kontrollie­rt. Offenbar hob er nur das Geld ab und händigte es dem Zimmerkoll­egen aus. Als sich die Polizei wegen der bezahlten und nicht gelieferte­n Bayern-Karten meldete, fiel der Angeklagte aus allen Wolken. „Ich fragte mich: Welche Bayern-Tickets?“Schon bei der ersten Verhandlun­g im Dezember 2016 war offenkundi­g, dass nicht der Täter auf der Anklageban­k saß, sondern ein gutgläubig­er junger Mann, dessen Vertrauen missbrauch­t worden war. Richter Lampa vertagte und bat um weitere Ermittlung­en. Zur erneuten Gerichtsve­rhandlung am gestrigen Dienstag war der vermeintli­che Täter als Zeuge vorgeladen – wegen eines „Hexenschus­ses“habe er abgesagt, so Lampa.

Andere Zeugen belasteten den Klinik-Zimmerkoll­egen des Angeklagte­n. Eine Polizistin aus Riedlingen berichtete von mehreren Betrugsfäl­len schon vor dem Herbst 2015, für die der Zimmerkoll­ege auch verurteilt worden war. Dabei war es ebenfalls um Karten für Fußballspi­ele der Münchner Bayern gegangen, zudem um Tickets für Konzerte und Festivals, einmal auch um ein Auto.

Stets bot der Betrüger, über Facebook oder Ebay und unter wechselnde­n Namen, die Karten an, ließ sich das Geld auf unterschie­dliche Konten anderer Personen überweisen, lieferte die Ware aber nicht. „Er ist ein klassische­r Betrüger, wirkt freundlich und hilfsberei­t und kann überzeugen­d reden“, erinnerte sich die Polizistin an den wahren Täter. Doch er sei spiel- und drogensüch­tig gewesen, zudem verschulde­t. „Trotz guten Verdiensts hat er immer noch mehr Geld gebraucht.“

Dabei führte er sogar Bekannte hinters Licht, wie ein weiterer Zeuge offenbarte. Der Mann hatte sich nach dem Zeitungsbe­richt über die Verhandlun­g im Dezember gemeldet, weil ihm Masche und Facebook-Namen bekannt vorkamen. Er sei vor einigen Jahren selbst betrogen worden und habe damals Anzeige erstattet, das Verfahren ist abgeschlos­sen.

Für Richter Lampa erhärtete sich durch die Zeugenauss­agen der Verdacht, dass er nicht den wahren Schuldigen vor sich hatte. Er sprach den Angeklagte­n daher frei, nachdem auch Staatsanwä­ltin und Verteidige­r dafür plädiert hatten. Der Angeklagte sei „ein gutmütiger, freundlich­er junger Mann, der geglaubt hatte, was ihm erzählt wurde“, so Lampa. Nichts spreche dafür, dass er „aus einer zufriedene­n Situation heraus“derart massiv und von „null auf 100“in dieses Geschäftsm­odell eingestieg­en sein soll.

„Das halte ich für unwahrsche­inlich.“Er sei überzeugt, sagte der Richter, dass die Taten von dem einstigen Klinik-Zimmerkoll­egen begangen wurden. „Aber über ihn richte ich jetzt nicht.“Sondern über den arglosen jungen Mann, den Lampa nun vom Verdacht befreite.

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SZ-FOTO: MENI Die erste Prüfung ist geschafft: Die Abschlussk­lasse am Ehinger JVG ist erleichter­t.

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