Der falsche Angeklagte
Prozess: Junger Mann in Ehingen vom Verdacht des Betrugs mit FC-Bayern-Eintrittskarten freigesprochen
EHINGEN - Vom Verdacht des betrügerischen Handels mit Eintrittskarten von Spielen des Fußball-Bundesligisten Bayern München ist ein junger Mann freigesprochen worden. Richter Wolfgang Lampa sah es bei der Verhandlung im Amtsgericht Ehingen als erwiesen an, dass ein anderer für den Betrug in sechs Fällen und mit einer Schadenssumme von insgesamt 800 Euro verantwortlich ist und der junge Mann arglos in die Angelegenheit hineingezogen worden war.
Es war eine Zufallsbekanntschaft. Beide Männer, Angeklagter und mutmaßlicher Täter, teilten während eines Klinikaufenthalts im Herbst 2015 ein Zimmer. Der Angeklagte fasste Vertrauen in den Zimmerkollegen und überließ ihm sogar seine Bankverbindung – für angebliche Überweisungen des Bruders. Dass dies nicht stimmte und sich dahinter ein betrügerischer Handel mit BayernTickets über eine Facebook-Seite verbarg, „habe ich nicht mitgekriegt“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Er, der zu dieser Zeit keine eigene Facebook-Seite hatte, habe auch seine Kontoauszüge nicht kontrolliert. Offenbar hob er nur das Geld ab und händigte es dem Zimmerkollegen aus. Als sich die Polizei wegen der bezahlten und nicht gelieferten Bayern-Karten meldete, fiel der Angeklagte aus allen Wolken. „Ich fragte mich: Welche Bayern-Tickets?“Schon bei der ersten Verhandlung im Dezember 2016 war offenkundig, dass nicht der Täter auf der Anklagebank saß, sondern ein gutgläubiger junger Mann, dessen Vertrauen missbraucht worden war. Richter Lampa vertagte und bat um weitere Ermittlungen. Zur erneuten Gerichtsverhandlung am gestrigen Dienstag war der vermeintliche Täter als Zeuge vorgeladen – wegen eines „Hexenschusses“habe er abgesagt, so Lampa.
Andere Zeugen belasteten den Klinik-Zimmerkollegen des Angeklagten. Eine Polizistin aus Riedlingen berichtete von mehreren Betrugsfällen schon vor dem Herbst 2015, für die der Zimmerkollege auch verurteilt worden war. Dabei war es ebenfalls um Karten für Fußballspiele der Münchner Bayern gegangen, zudem um Tickets für Konzerte und Festivals, einmal auch um ein Auto.
Stets bot der Betrüger, über Facebook oder Ebay und unter wechselnden Namen, die Karten an, ließ sich das Geld auf unterschiedliche Konten anderer Personen überweisen, lieferte die Ware aber nicht. „Er ist ein klassischer Betrüger, wirkt freundlich und hilfsbereit und kann überzeugend reden“, erinnerte sich die Polizistin an den wahren Täter. Doch er sei spiel- und drogensüchtig gewesen, zudem verschuldet. „Trotz guten Verdiensts hat er immer noch mehr Geld gebraucht.“
Dabei führte er sogar Bekannte hinters Licht, wie ein weiterer Zeuge offenbarte. Der Mann hatte sich nach dem Zeitungsbericht über die Verhandlung im Dezember gemeldet, weil ihm Masche und Facebook-Namen bekannt vorkamen. Er sei vor einigen Jahren selbst betrogen worden und habe damals Anzeige erstattet, das Verfahren ist abgeschlossen.
Für Richter Lampa erhärtete sich durch die Zeugenaussagen der Verdacht, dass er nicht den wahren Schuldigen vor sich hatte. Er sprach den Angeklagten daher frei, nachdem auch Staatsanwältin und Verteidiger dafür plädiert hatten. Der Angeklagte sei „ein gutmütiger, freundlicher junger Mann, der geglaubt hatte, was ihm erzählt wurde“, so Lampa. Nichts spreche dafür, dass er „aus einer zufriedenen Situation heraus“derart massiv und von „null auf 100“in dieses Geschäftsmodell eingestiegen sein soll.
„Das halte ich für unwahrscheinlich.“Er sei überzeugt, sagte der Richter, dass die Taten von dem einstigen Klinik-Zimmerkollegen begangen wurden. „Aber über ihn richte ich jetzt nicht.“Sondern über den arglosen jungen Mann, den Lampa nun vom Verdacht befreite.