Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kein Vogelgezwi­tscher

Wallis Bird gastierte im Ulmer Roxy - Die irische Sängerin umgarnte das Publikum nicht nur mit ihrem Charme

- Von Dorina Pascher

ULM - Es ist das letzte Lied der Vorband Sam Vance-Law. Eine kleine Person, dunkel gekleidet mit einer schwarzen Baseball-Cap und dunklem Schnauzer betritt die Bühne. Unbemerkt hat sie sich zwischen den circa 180 Gästen in der Bar des Ulmer Roxy hindurchge­wuselt. Erst bei etwa der Hälfte des Liedes wird dem Publikum bewusst, wer diese verschmitz­t lächelnde Person an der Trommel ist: Es ist Wallis Bird persönlich. Sie drängt sich nicht in den Vordergrun­d, aber ihre Bühnenpräs­enz kann die Sängerin nicht einmal hinter Fake-Schnauzer und großer Baseball-Mütze verstecken.

„Wie alte Freunde“, sagt Bird vor Beginn ihres Auftritts und streckt die Hände in Richtung Publikum. Da die Irin aktuell in Berlin lebt und arbeitet kann sie gebrochen Deutsch sprechen. Anders als man erwarten könnte, eröffnet sie das Konzert mit dem melancholi­schen Lied „Love“. Gefühlvoll überträgt sie mit dem rauhen Klang ihrer Stimme einen wehmütigen Gemütszust­and auf das Publikum. Als Wallis Bird zum Ende des zweiten Liedes „Home“a-cappella singt, scheint das Roxy still zu stehen. Nicht einmal das Gläsergekl­imper an der Bar ist zu hören. Tosender Applaus bestätigt Birds Wirkung auf die Zuhörer.

Die Anziehungs­kraft der Sängerin liegt nicht nur an ihren gefühlvoll vorgetrage­nen Liedern. Mit Charme umgarnt Wallis Bird ihr Publikum. „You are smiling extremely sweet“, sagt die 35-jährige Irin in Richtung eines Mädchens in der ersten Reihe. Bei vielen Sängern oder Bands hätte so eine Aussage eher nach Anbiederun­g geklungen, doch bei Wallis wirkt es wie ein echt gemeintes Kompliment.

Dass Wallis Bird nicht nur nachdenkli­che Töne anschlagen kann, zeigt sie vor allem bei den poppigen „To my bones“. Das bewegt die Zuhörer nicht nur zum halbherzig­en Wippen, gerade die erste Reihe springt und tanzt wie wild gewordene Kobolde. Wer das glattgebüg­elte Lied auf der CD hört, wird es live vorgetrage­n kaum wiedererke­nnen. Gerade in diesen Momenten merkt man, dass die Sängerin ihr wahres Können erst so richtig auf der Bühne entfalten kann. Ihr besonderes Gitarrensp­iel zeichnet sich auch durch ein außergewöh­nliches Charakteri­stikum aus: Die Irin spielt als Rechtshänd­erin seitenverk­ehrt und die Gitarrensa­iten sind dabei nicht umgespannt. Das ist einem Unfall mit dem Rasenmäher geschuldet, der der damals Einjährige­n alle Finger der linken Hand abtrennte. Vier davon konnten gerettet werden.

Herzen des Ulmer Publikums gewonnen

Zusammen mit ihrem kumpelhaft­en Umgang mit ihren Fans sorgt sie für einen denkwürdig­en Abend. Der vor allem einem Mädchen im Gedächtni s bleiben wird. Als Bird die ersten Strophen des Liedes „Control“, einer Singleausk­opplung aus dem 2016 erschienen Album „Home“, anstimmt, hält die Sängerin auf plötzlich inne und deutet ins Publikum. „You are a really good singer“, sagt die Irin und bittet die junge Frau auf die Bühne. Gemeinsam singen sie das Lied und zum Schluss darf sich der Fan noch über ein „richtig geil“und einen Kuss von Wallis Bird auf die Wange freuen.

Die Herzen des Ulmer Publikums gewann der irische Wirbelwind vollends, als sie in Richtung Bar rief: „Darf ich bitte ein Bier haben?“Nachdem ihr zwei Maßkrüge auf die Bühne gehoben wurde, nimmt sie einen großen Schluck und sagt „I love it. Is it from here?“Das Publikum nickt einstimmig.

Den Abschluss bildet das Lied „In Dictum“, das vom dritten Studioalbu­m stammt. Sphärische Klänge erfüllen das Roxy. Wallis Bird und ihre drei Musiker stehen Arm in Arm vor dem Publikum und singen mit geschlosse­nen Augen: „But the more you hold on to me, the less you can have from me“(Je mehr du an mit hältst, desto weniger hast du von mir). Mit diesen Worten entlässt Wallis Bird das Ulmer Publikum in die sternenkla­re Nacht.

 ?? FOTO: FURTHMAIR ?? Wallis Bird im Roxy.
FOTO: FURTHMAIR Wallis Bird im Roxy.

Newspapers in German

Newspapers from Germany