„Freibetrag für Altfonds nicht verschenken“
Gerhard Selig über die richtige Strategie für vor 2009 gekaufte Investmentfonds
Vorschuss ans Finanzamt:
Eine Neuerung kann aber zu ungewohnten Ergebnissen führen – die Vorabpauschale. Künftig wird bei allen Fonds am Jahresende ein Basisertrag berechnet, der auf Sparbuchniveau liegt. Abzüglich der vorgenommenen Ausschüttungen gilt er im folgenden Januar als fiktiv zugeflossen und muss versteuert werden. „Diese künftig erhobene Vorabpauschale kann bei thesaurierenden Fonds dazu führen, dass eine Belastung des Kundenkontos erfolgt und der Anleger vorher für ausreichende Liquidität sorgen muss, um Verzugszinsen zu vermeiden“, erklärt Anton Vetter von der BV & P Vermögen AG. Bisher wurden bei wieder anlegenden Fonds erst bei einem Verkauf Steuern fällig, jetzt bekommt das Finanzamt eine Art Vorschuss, der bei einem Verkauf wieder abgezogen wird. Anleger können in solchen Fällen aber auch in Zukunft den gewohnten Sparerpauschalbetrag von 801 Euro beziehungsweise 1602 Euro für Ehepaare einsetzen, wenn er nicht anderweitig ausgeschöpft wurde. RAVENSBURG - Gerhard Selig, Inhaber der Gerhard Selig Vermögensstrategien GmbH aus Konstanz, äußert sich im Interview mit Florian Junker zum Ende der Abgeltungssteuerausnahmen für vor 2009 gekaufte Investmentfonds und Gründe für einen Kauf- oder Verkauf.
Mit der Investmentsteuerreform wird auch der Bestandsschutz für sogenannte Altfonds quasi beendet. Was heißt das für Anleger?
Für Fondsanteile, die vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, gilt eine Befreiung von der Abgeltungssteuer. Diese eigentlich unbefristete Regelung für steuerfreie Kursgewinne endet praktisch am 31. Dezember 2017. Die depotführende Stelle des Altanlegers führt Ende 2017 einen fiktiven Verkauf und einen anschließenden Kauf durch. Damit sind alle bis dahin aufgelaufenen Kursgewinne steuerfrei. Kursgewinne, die ab dem 1. Januar 2018 erzielt werden, sind im Prinzip abgeltungssteuerpflichtig, allerdings hat der Gesetzgeber für diese Altanteile einen Freibetrag von 100 000 Euro pro Person vorgesehen.
Wird bei einem Verkauf solcher Altanteile künftig automatisch keine Abgeltungssteuer einbehalten oder muss man selbst aktiv werden?
Für Gewinne, die bis Ende 2017 mit diesen Altfonds erzielt wurden, funktioniert das automatisch. Bei Wertentwicklungen, die ab 2018 erzielt werden, wird die Abgeltungssteuer zunächst fällig, kann aber über die Einkommensteuererklärung bis zur Höhe des Freibetrags von 100 000 Euro zurückgefordert werden.
Welcher Freibetrag gilt für Ehepaare und was geschieht im Falle einer Vererbung?
Bei Ehepaaren können ab dem nächsten Jahr bis zu 200 000 Euro Freibetrag für Gewinne mit vor 2009 gekauften Fondsanteilen geltend gemacht werden. Wir gehen davon aus, dass diese Freibeträge im Erbfall auch mitübertragen werden können, empfehlen hierzu aber frühzeitig einen Steuerberater zu Rate zu ziehen.
Macht es Sinn, Altfonds noch vor den gesetzlichen Änderungen zum Jahreswechsel abzustoßen?
Nein, aus steuerlichen Überlegungen sollten diese vor dem Jahr 2009 gekauften Fonds nicht in 2017 verkauft werden, da der Freibetrag sonst ungenutzt verfällt. Aber das hängt vom Einzelfall ab, da die generelle Qualität stimmen muss. Denn ohne eine positive Wertentwicklung des Fonds wirkt sich auch ein Steuervorteil nicht positiv aus. Im Wesentlichen kommt es auf die individuelle Anlagestrategie und die Kombination verschiedener Investmentbausteine an, die helfen kann, Schwankungen zu reduzieren. Steuerliche Aspekte sollten für Anleger nicht die primäre Entscheidungsgrundlage sein.
Wenn Steuervorteile eher kein entscheidendes Anlagekriterium darstellen, was ist wichtiger?
Neben einer gut ausbalancierten Assetallokation, also einer Mischung von Anlageklassen, die sich gegenseitig stabilisieren, sollten wichtige Megatrends im Depot nicht fehlen. Wie etwa Wasser oder Nahrung, denn durch die schnell wachsende Weltbevölkerung wird die Nachfrage nach sauberem Trinkwasser und ausreichenden Nahrungsmitteln weiter steigen. Auch die Themen Gesundheit oder Sicherheit gehören zu den Megatrends, was zum Beispiel durch die global rasant wachsende Zahl von Diabetikern oder durch die Zunahme von Hackerangriffen deutlich wird. In solchen Bereichen investiert zu sein, dürfte langfristig wesentlich entscheidender für den Erfolg sein als mögliche Steuerersparnisse.