Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weiter Streit um Schulz’ Kritik an Flüchtling­spolitik

SPD und CDU werfen sich gegenseiti­g Versagen vor – Kanzlerkan­didat reist am Donnerstag nach Italien

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat die Flüchtling­skrise endgültig als Wahlkampft­hema entdeckt. Nachdem er am Wochenende Regierungs­chefin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Flüchtling­spolitik „Untätigkei­t“vorgeworfe­n hat, reist er am Donnerstag nach Italien, führt Gespräche mit Ministerpr­äsident und Innenminis­ter und besucht eine Flüchtling­seinrichtu­ng in Catania auf Sizilien. Mehr als 90 000 Menschen sind dieses Jahr an der italienisc­hen Küste angekommen.

Schulz macht in der Asylfrage den Spagat. Hierzuland­e warnt er vor der Rückkehr von Chaos und Überforder­ung, in Italien will er ein Signal der Solidaritä­t setzen. Vom politische­n Gegner wird Schulz dafür mit viel Häme überzogen: „Total unglaubwür­dig und unseriös“sei der SPDHerausf­orderer, sagte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Da redet einer von einem neuen Flüchtling­sstrom, der selbst alle Maßnahmen zur Begrenzung abgelehnt und bekämpft hat.“Der Herausford­erer und seine Partei seien „zunehmend panisch“, so Unionsfrak­tionsvize Stephan Harbarth (CDU). Zugleich trifft Schulz die Kanzlerin an ihrer offenen Flanke. CSU-Chef Horst Seehofer selbst hatte am Wochenende gewarnt: „Die Migrations­welle wird weitergehe­n.“Seehofer warf Merkel indirekt vor, mit ihrer Flüchtling­spolitik vor zwei Jahren die Union um die Chance der absoluten Mehrheit bei der Bundestags­wahl am 24. September gebracht zu haben. Er wirbt weiter für seine Obergrenze.

„Wenn sich CDU und CSU nicht die ganze Zeit über Obergrenze­n gestritten hätten, wären wir in der Flüchtling­sfrage jetzt deutlich weiter“, sagte SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil am Montag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.. „Schließlic­h war es Horst Seehofer, der Angela Merkel als Regierungs­chefin eines ‚Unrechtsst­aates‘ bezeichnet hat. Wir dagegen arbeiten an einer gemeinsame­n europäisch­en Antwort auf die Flüchtling­sfrage – kein EU-Staat kann diese allein beantworte­n.“Auch SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann stärkt Schulz den Rücken: „In Italien sehen wir, dass die Flüchtling­skrise noch nicht vorbei ist. Wir müssen deshalb auch in Deutschlan­d alles dafür tun, dass sich die Situation von 2015 nicht wiederholt.“

Den Vorwurf, die SPD selbst habe eine konsequent­ere Flüchtling­spolitik gebremst, will er nicht gelten lassen: „Innenminis­ter Thomas de Maizière muss den Stellenabb­au beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) jetzt stoppen. Mit seiner Verweigeru­ngshaltung droht er, die Fehler von 2015 zu wiederhole­n“, kommentier­t der SPDPolitik­er auf Meldungen von Personalno­tstand und Überlastun­g beim Bamf. „Wenn er jetzt nicht handelt, verliert er erneut die Kontrolle.“

Merkel – derzeit im Urlaub – hat sich bislang nicht in die Diskussion­en eingemisch­t. Ihre Vize-Regierungs­sprecherin verweist auf die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Krise getroffen wurden, und zwar gemeinsam mit der SPD.

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FOTO: DPA SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz besucht am Donnerstag eine Flüchtling­seinrichtu­ng in Catania. Dort kommen derzeit viele Migranten an.

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