Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands steht auf dem Spiel
Zehntausende Jobs sind in Gefahr, wenn die Beiträge für die deutschen Sozialkassen weiter steigen – diese Warnung aus dem Munde der Arbeitgeber kommt nicht zum ersten Mal – und nicht zu Unrecht.
Steuern, „Soli“, Kommunalabgaben, Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung – die Bürger werden kräftig zur Kasse gebeten. Vor allem die hohen Sozialabgaben machen die Arbeit hierzulande teuer. Deutschland rangiert unter den Industrieländern weit oben. Und die zunehmende Alterung der Gesellschaft belastet die Sozialsysteme zusätzlich – auch bei langfristig moderatem Wirtschaftswachstum. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und damit Wohlstand und soziale Sicherheit stehen auf dem Spiel.
Ein lediger Angestellter ohne Kind musste im vergangenen Jahr im Schnitt 49,4 Prozent seines Bruttolohnes an den Staat abliefern. Im Kreis der 35 OECD-Länder rangiert Deutschland damit auf dem zweithöchsten Platz nach Belgien. Zurzeit gehen 39,95 Prozent für Renten-, Kranken- und Pflege- sowie Arbeitslosenversicherung weg. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) meinte im Frühjahr: „Die Abgabenlast für die Wirtschaft ist vertretbar, sie sollte aber nicht steigen.“Zuletzt war es Konsens zwischen Wirtschaft und Politik, nicht über die 40-Prozent-Marke zu kommen. Der Arbeitgeberverband BDA zitiert eine Prognos-Studie, wonach ein Anstieg der Sozialbeiträge um einen Prozentpunkt den Verlust von 90 000 Arbeitsplätzen bedeute.
Nach den Prognos-Berechnungen steigt der Gesamtbeitrag für die vier zentralen Sozialversicherungen bis 2040 auf 48,8 Prozent, wenn es keine gesetzlichen Eingriffe gibt. Gibt es Eingriffe etwa bei der Rente, könnten sie sogar auf 55,5 Prozent zulegen. Damit drohe ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen – trotz gleichzeitigem Fachkräftemangel. Die Arbeitgeber warnen denn auch vor Wahlgeschenken wie einer Ausweitung der Mütterrente. Im Sozialbudget schlagen jetzt schon Mehrausgaben für höhere Renten an mehr Ruheständler und mehr Kassenausgaben für medizinische Leistungen zu Buche. 2016 gab der Staat nach dem aktuellen Sozialbericht 918 Milliarden Euro für Sozialleistungen aus – ein Plus von 33 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Dieser Zuwachs fällt etwas höher aus als das KonjunkturPlus. Bis 2021 könnten die Sozialausgaben auf 1,1 Billionen Euro klettern. Nimmt die Zahl der Erwerbstätigen ab, wird es schwierig, das ohnehin nicht allzu üppige Wirtschaftswachstum zu halten. Zugleich steigt der Anteil der Ruheständler. Mit der Konsequenz, dass immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Rentner und Pensionäre zahlen müssen – auch für andere Sozialkassen.
Mit der schrittweisen Anhebung des Rentenalters unter Schwarz-Rot auf 67 Jahre verschaffte sich die Politik bei der Finanzierung der Rentenkassen etwas Luft. Weitere Reformen Anfang der 2000er-Jahre kamen hinzu. Die wachsende Zahl an Zuwanderern vor allem aus EU-Ländern hat die Finanzlage der Sozialversicherungen verbessert. Trotz Reformen seien daher die Renten- und Krankenkassenbeiträge auf absehbare Zeit stabil, hat die Deutsche Rentenversicherung ermittelt. (dpa)