Berliner Wohnlabor
Sigmaringer Immobilienfirma erforscht mit einem Modellprojekt künftige Wohnformen
SIGMARINGEN - Das Immobilienunternehmen Gesellschaft für Siedlungsund Wohnungsbau (GSW) mit Sitz in Sigmaringen, eine Tochter des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg, investiert in zukunftsorientiertes Wohnen. Im Berliner Stadtteil Adlershof entsteht ein Gebäudekomplex mit knapp 90 Apartments. Dort sollen zum Beispiel Wohnen und EMobilität verknüpft werden. Wenn das E-Auto die Siedlung in Adlershof ansteuert, erkennt das Computersystem, je nach Programmierung, dass die Waschmaschine starten soll. Mit diesem technischen Standard betritt die GSW Neuland im Bau von Mietwohnungen, sagt Geschäftsführer Roy Lilienthal. Zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, vollzog er in dieser Woche den symbolischen ersten Spatenstich. Future Living Berlin heißt das Projekt.
Die Wohnung für den Urlaub vorbereiten, das geht in der neuen Wohnwelt per Knopfdruck. Die Rollläden fahren dann in die gewünschte Position, alle Elektrogeräte werden vom Stromnetz getrennt, und Heizung sowie Lüftung stellen den Betrieb ein. Den neuen Ansatz für den Zukunftsmarkt Smart Home sieht die GSW darin, die gesamte Technik, die sich in einer Wohnung befindet, auf möglichst simple Art miteinander zu vernetzen. Dass es daran momentan hakt, diese Erfahrung hat das Sigmaringer Unternehmen in seiner Musterwohnung in Waiblingen gemacht: Auf dem Couchtisch liegen immer noch mehrere Fernbedienungen, und die Apps auf dem Handy kommunizieren nicht miteinander. Aktuell ist es nach Angaben der Firmenleitung so, dass in Mietwohnungen die Technik Smart Home im Gegensatz zum Bau von Einfamilienhäusern oder Luxuswohnungen kaum Einzug hält. Mit ihrem Modellprojekt will die GSW einen Schritt nach vorne gehen.
Das Quartier in Berlin besteht aus 69 Mietwohnungen, 20 sogenannten Boarding Houses, die kurzzeitig vermietet werden, einem Ausstellungsbereich, den Firmen für die Projektpräsentation nutzen, und zwölf Gewerbeeinheiten. Das Quartier soll im Mai 2019 bezugsfertig sein und die gesamte Bandbreite der Lebensformen abbilden: Studenten-WGs, Single-Wohnungen, Familien- und Seniorenwohnungen. Alle Wohnungen sind rollstuhlgerecht ausgebaut, auch deshalb erhält das Unternehmen bereits erste Anfragen.
Für den Standort Berlin entschied sich die GSW, weil sie sich von der Hauptstadt Strahlkraft verspricht. Das Preisniveau für den Markt mit Baugrundstücken liege zudem deutlich unter dem von Metropolen wie München, Hamburg oder Stuttgart. Im Verhältnis dazu sind mit Quadratmeterpreisen zwischen 11,50 und 13 Euro auch die Mieten günstiger als in anderen Großstädten. Trotzdem sei der Standort in der Nähe des künftigen Flughafens unterm Strich lukrativer, so der Geschäftsführer.
35-Millionen-Euro-Investition
Mit einer Investitionssumme von 35 Millionen Euro ist Future Living Berlin das größte Einzelbauvorhaben in der Firmengeschichte. Das Objekt soll im Eigentum des Bauherrn verbleiben. Eine Reihe von Partnern unterstützt das Sigmaringer Unternehmen. Klar ist bereits, dass der Daimler-Konzern den Bereich Mobilität übernimmt. Andere Unternehmen sollen ihr Know-how in Bereichen wie Badgestaltung oder Energieerzeugung einbringen. „Die Auswertung von Daten ist ein großes Motiv für Partner“, sagt GSW-Bereichsleiterin Birgid Eberhardt. Aktuell gibt es kaum Erkenntnisse darüber, wie die Technik von Mietern angenommen wird. Die beteiligten Unternehmen wollen drei Jahre nach der Fertigstellung genau hinsehen und Ableitungen für die Zukunft treffen.
Future Living Berlin – echte Wohnungen in der Hauptstadt, aber auch ein klein wenig Labor.