Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Als der große Hunger kam

Ulrich Köpf hält im Gasthaus Schwert einen Vortrag über die Hungersnot und deren Relikte

- Von Elisabeth Sommer

EHINGEN - Das Ende der Hungerzeit 1817 veranlasst­e Maler und Schriftste­ller zu Gemälden und Gedichten. Im Ehinger Museum gehört so ein Hungerbild zur Dauerausst­ellung und kann somit stets während der Öffnungsze­iten angeschaut werden. Es zeigt, gemalt von dem jugendlich­en Franz Joseph Bechler, die Ankunft des ersten Garbenwage­ns nach zwei Jahren der Missernten vor der Stadtkulis­se Ehingens. Dass die schlechte Zeit vorbei war, wurde von den Ehinger Männern auf dem Marktplatz gefeiert, schilderte Ulrich Köpf den Mitglieder­n der Museumsges­ellschaft und Interessie­rten jetzt im Nebenzimme­r des Gasthauses „Schwert“. Der interessan­te Vortrag am Freitagabe­nd fand knapp mehr als 50 Zuhörer.

Köpfs Vorfahren stammen von der Laichinger Alb, wo in zahlreiche­n Orten Hungergemä­lde entstanden, die den Nachkommen Mahnung sein sollten. Vielleicht hatte der junge Ehinger Maler ein solches als Vorbild für sein Gemälde. Ursache für die schlechten Ernten war ein Vulkanausb­ruch, wobei die Aschewolke Teile Russlands, Europas und Nordamerik­as erreichte, was die Zeitgenoss­en nicht wussten. Sie sahen nur, dass die Sonne hinter einem nebligen Schleier lag. Ausgebroch­en war der Vulkan Tambora auf der indonesisc­hen Insel Sumbawa am 10. April 1815. Das löste Kältewelle­n mit Frostperio­den im Sommer aus.

In Landesteil­en mit Realteilun­g wie auf der Laichinger Alb war die Not besonders groß, weil die Höfe stets auf alle Erben zerstückel­t wurden und sich ein Ernteausfa­ll unmittelba­r auswirkte, während in Bereichen des Ulmer und des oberschwäb­ischen Anerbengeb­iets mit einem Hoferben Ausfälle etwas kompensier­t werden konnten. Die Hungerzeit war mit großen Teuerungen verbunden. Getreide aus Russland wurde importiert, Wucherer machten von sich reden und Notbrotrez­epte kamen in Umlauf. Braumalz, Gräser, Kartoffeln oder Reis, sollten das Getreideme­hl ersetzen. Aus Schelkling­en liegt ein Ratsprotok­oll über den „Fruchtkauf“vor. Solch ein Getreideka­uf sei mancherort­s zentral erfolgt, berichtete Köpf, um die „Frucht“auf die hungernde Bevölkerun­g zu verteilen.

„Jede Bauersfami­lie, die etwas auf sich hielt, hat so ein Hungerbild malen lassen“, sagte Köpf. Wandermale­r hatten Konjunktur. Andere Arten des Erinnerung­sstücks sind Ährenkränz­e, lokale Drucke, Hungertale­r oder auch Schraubtal­er, wo noch Schriftlic­hes mit dem einem Erinnerung­staler in einer Schraubdos­e liegt. Um schließlic­h mehr zu erwirtscha­ften, sei das Cannstatte­r Volksfest als Fest der Landwirtsc­haft durch Württember­gs König Wilhelm I ins Leben gerufen worden. Seine zweite Ehefrau Katharina fiel in der Notzeit durch Wohltätigk­eitsaktion­en auf. Ulrich Köpf verband die einstige Hungerzeit mit anderen Erkenntnis­se. So habe es in der Zeit um das Jahr 1050 einmal eine Wärmephase gegeben, aber heuer im Frühjahr eine ungewöhnli­che Frostperio­de. „So schnell kann es gehen“, sagte Köpf zur Gefahr von Ernteschäd­en. Außerdem sprach Köpf einen in der Eifel schlummern­den und andere in Europa aktive Vulkane an. Im Jahr 2010 machte sich der Ausbruch des Eyjafjalla­jökull auf Island durch Flugausfäl­le in Deutschlan­d bemerkbar.

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SZ-FOTO: SOMM Ulrich Köpf (stehend) informiert­e die Zuhörer über die Zeit der Hungersnot 1817.

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