Als der große Hunger kam
Ulrich Köpf hält im Gasthaus Schwert einen Vortrag über die Hungersnot und deren Relikte
EHINGEN - Das Ende der Hungerzeit 1817 veranlasste Maler und Schriftsteller zu Gemälden und Gedichten. Im Ehinger Museum gehört so ein Hungerbild zur Dauerausstellung und kann somit stets während der Öffnungszeiten angeschaut werden. Es zeigt, gemalt von dem jugendlichen Franz Joseph Bechler, die Ankunft des ersten Garbenwagens nach zwei Jahren der Missernten vor der Stadtkulisse Ehingens. Dass die schlechte Zeit vorbei war, wurde von den Ehinger Männern auf dem Marktplatz gefeiert, schilderte Ulrich Köpf den Mitgliedern der Museumsgesellschaft und Interessierten jetzt im Nebenzimmer des Gasthauses „Schwert“. Der interessante Vortrag am Freitagabend fand knapp mehr als 50 Zuhörer.
Köpfs Vorfahren stammen von der Laichinger Alb, wo in zahlreichen Orten Hungergemälde entstanden, die den Nachkommen Mahnung sein sollten. Vielleicht hatte der junge Ehinger Maler ein solches als Vorbild für sein Gemälde. Ursache für die schlechten Ernten war ein Vulkanausbruch, wobei die Aschewolke Teile Russlands, Europas und Nordamerikas erreichte, was die Zeitgenossen nicht wussten. Sie sahen nur, dass die Sonne hinter einem nebligen Schleier lag. Ausgebrochen war der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa am 10. April 1815. Das löste Kältewellen mit Frostperioden im Sommer aus.
In Landesteilen mit Realteilung wie auf der Laichinger Alb war die Not besonders groß, weil die Höfe stets auf alle Erben zerstückelt wurden und sich ein Ernteausfall unmittelbar auswirkte, während in Bereichen des Ulmer und des oberschwäbischen Anerbengebiets mit einem Hoferben Ausfälle etwas kompensiert werden konnten. Die Hungerzeit war mit großen Teuerungen verbunden. Getreide aus Russland wurde importiert, Wucherer machten von sich reden und Notbrotrezepte kamen in Umlauf. Braumalz, Gräser, Kartoffeln oder Reis, sollten das Getreidemehl ersetzen. Aus Schelklingen liegt ein Ratsprotokoll über den „Fruchtkauf“vor. Solch ein Getreidekauf sei mancherorts zentral erfolgt, berichtete Köpf, um die „Frucht“auf die hungernde Bevölkerung zu verteilen.
„Jede Bauersfamilie, die etwas auf sich hielt, hat so ein Hungerbild malen lassen“, sagte Köpf. Wandermaler hatten Konjunktur. Andere Arten des Erinnerungsstücks sind Ährenkränze, lokale Drucke, Hungertaler oder auch Schraubtaler, wo noch Schriftliches mit dem einem Erinnerungstaler in einer Schraubdose liegt. Um schließlich mehr zu erwirtschaften, sei das Cannstatter Volksfest als Fest der Landwirtschaft durch Württembergs König Wilhelm I ins Leben gerufen worden. Seine zweite Ehefrau Katharina fiel in der Notzeit durch Wohltätigkeitsaktionen auf. Ulrich Köpf verband die einstige Hungerzeit mit anderen Erkenntnisse. So habe es in der Zeit um das Jahr 1050 einmal eine Wärmephase gegeben, aber heuer im Frühjahr eine ungewöhnliche Frostperiode. „So schnell kann es gehen“, sagte Köpf zur Gefahr von Ernteschäden. Außerdem sprach Köpf einen in der Eifel schlummernden und andere in Europa aktive Vulkane an. Im Jahr 2010 machte sich der Ausbruch des Eyjafjallajökull auf Island durch Flugausfälle in Deutschland bemerkbar.