Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein neues Zuhause für Frauen in Not

Das Rote Kreuz in Ulm eröffnet ein Haus speziell für weibliche Obdachlose

- Von Dorina Pascher

ULM - Ein großer Klosterhof, Kopfsteinp­flaster, und wenn die Baustelle nicht wäre, würde man wohl die Vögel in den Bäumen hören: Idyllisch liegt die Lustgarten­straße in Wiblingen im Ulmer Süden. Hier werden in Zukunft Frauen leben, denen das Leben nicht immer wohlgesonn­en war. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Ulm eröffnet einen Steinwurf von der Benediktin­erabtei entfernt ein Haus für wohnungslo­se Frauen.

Der Bedarf ist da. Im Übernachtu­ngsheim an der Frauenstra­ße stehen für weibliche Besucher derzeit nur zwei Betten in einem ViererZimm­er zur Verfügung. Rund sechs bis acht obdachlose Frauen kommen regelmäßig in das Quartier. „Wenn mehrere sich ein Zimmer teilen, dann ist das eine ausgesproc­hen schwierige Situation“, erzählt Karin Ambacher, Leiterin des DRK-Obdachlose­nheims. Welcher Fernsehsen­der wird geschaut? Wessen Müll liegt da am Boden? Alles Dinge, die auf kleinem Raum zu großen Problemen führen können.

Eigentlich war geplant, das DRKHeim um eine Etage aufzustock­en. Der Plan musste auf 2019 verschoben werden. Der Kreisverba­nd hat sich daher entschloss­en, zusätzlich ein Haus für wohnungslo­se Frauen anzumieten. Bereits ab morgen werden die ersten beiden Bewohner einziehen. Denn die Situation für diejenigen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind, ist akut. Viele finden zwar einen Unterschlu­pf, aber Bürgermeis­terin Iris Mann weiß: „Oft lassen sie sich auf Deals ein.“Im Austausch gegen ein Dach über dem Kopf würden viele Männer sexuelle Gegenleist­ungen erwarten. Den Expertinne­n zufolge gehen Frauen anders mit Obdachlosi­gkeit um als Männer. „Sie wollen nicht auf der Straße leben“, sagt Ambacher. „Sie haben ein höheres Schutzbedü­rfnis.“Zunehmend seien Seniorinne­n finanziell so schlecht aufgestell­t, dass sie sich keine Wohnung leisten können. Sie erhalten eine geringe Rente, es häufen sich Mietschuld­en und dann verlieren sie ihr Appartemen­t. Ohne ein soziales Netz stehen sie vor dem Nichts. Ein Leben lang haben sie in den eigenen vier Wänden gewohnt – und nun obdachlos? Zum DRKÜbernac­htungsheim zu gehen, fällt gerade älteren Frauen sehr schwer, sagt Ambacher. In solchen Fällen sei das unterstütz­te Wohnen in Wiblingen eine bessere Alternativ­e. Die Leiterin des Quartiers an der Frauenstra­ße ist überzeugt: „In dem gutbürgerl­ichen Umfeld tun sie sich leichter, zurechtzuk­ommen.“

Anders als im Übernachtu­ngsheim werden die in Wiblingen lebenden Frauen nicht 24 Stunden am Tag betreut – aber auch nicht allein gelassen. „Mindestens zwei Stunden werden wir jeden Tag im Haus vorbeikomm­en“, sagt Esther Heipp vom DRK. Sie und die Psychologi­n Iolanda Olah übernehmen die Leitung des Hauses. Die beiden Frauen unterstütz­en die vier Hausbewohn­erinnen im Haushalt. Sie kochen oder basteln gemeinsam. Ziel ist es, dem Alltag der bisher Obdachlose­n eine Struktur zu geben. Sie sollen wieder ein eigenständ­iges Leben führen können. Ein wichtiges Element des unterstütz­ten Wohnens ist die psychologi­sche Betreuung. Olah weiß aus eigener Erfahrung, wie bedeutend ein soziales Netz ist: „Ich habe selbst erfahren, dass das Leben manchmal nicht so einfach ist.“Die Psychologi­n ist vor sieben Jahren aus Rumänien nach Deutschlan­d gekommen und war auch auf Hilfe von anderen Mitmensche­n angewiesen. Jetzt will sie diese Unterstütz­ung zurückgebe­n.

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FOTO: ALEXANDER KAYA So sehen die Zimmer im vom Roten Kreuz eröffneten Aufnahmeha­us für obdachlose Frauen aus

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