Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Alleingang im Mittelmeer

Italien will zur Bekämpfung von Schleusern das Militär vor die Küste Libyens schicken

- Von Thomas Migge

ROM - Die heimlich aufgenomme­nen Fotos sind für die italienisc­hen Behörden eindeutig. Sie zeigen laut Medienberi­chten, wie Mitarbeite­r des Frachters „Iuventa“der deutschen Hilfsorgan­isation „Jugend Rettet“auf dem Mittelmeer zwischen Italien und Libyen mit ihrem Schiff auf ein Schlepperb­oot zufahren. Die Freiwillig­en nehmen die Flüchtling­e vom Schlepperb­oot in Empfang und bringen sie auf ihrem Frachter „Iuventa“in Sicherheit.

Die Fotos zeigen auch, dass die deutschen Mitarbeite­r der Organisati­on den Schleppern ihr Boot zurückgebe­n, ohne vorher dessen Namen registrier­t zu haben.

Ein Beamter der italienisc­hen Küstenwach­e hat diese Fotos gemacht. Er hatte sich unerkannt bei den ehrenamtli­chen Seenotrett­ern eingeschle­ust. „Aus diesem Grund“, erklärte der italienisc­he Staatsanwa­lt Ambrogio Cartosio aus dem sizilianis­chen Trapani am Donnerstag, „haben wir die ‚Iuventa‘ beschlagna­hmt, um herauszufi­nden, inwiefern deren Besatzung mit kriminelle­n Schleppern zusammenar­beitet“.

Der Fall der „Iuventa“schlägt in Italien hohe Wellen. „Er beweist“, so Matteo Salvini, Chef der ausländerf­eindlichen Partei Lega Nord, „dass diese selbsterna­nnten Flüchtling­sretter ganz klar Kriminelle unterstütz­en“. Ähnlich äußerten sich auch Abgeordnet­e weniger radikaler Parteien, darunter auch die regierende­n Sozialdemo­kraten.

Gegen den Verhaltens­kodex

Die Hilfsorgan­isation „Jugend Rettet“gehört zu jenen Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs), die sich gegen einen Verhaltens­kodex der italienisc­hen Regierung zum Umgang mit Schleppern ausgesproc­hen haben. Mitarbeite­r des italienisc­hen Innenminis­teriums unter Leitung von Minister Marco Minniti hatten diesen Kodex verfasst. Jene NGOs, die diesen nicht unterzeich­nen, dürfen fortan keine italienisc­hen Häfen mehr anfahren.

Die Besatzung der „Iuventa“verteidigt sich. „Wir sind keine Kriminelle­n und arbeiten auch nicht mit solchen zusammen“, so ihr Sprecher Titus Molkenbur. Man sei nur daran interessie­rt, „Menschenle­ben zu retten“. Den italienisc­hen Behörden liegen liegen laut Medienberi­chten Mitschnitt­e abgehörter Unterhaltu­ngen der Besatzung vor. In diesen sei davon die Rede, dass man der Polizei keine Fotos zur Verfügung stellen will, auf denen Menschen, auch Schlepper, identifizi­erbar sind.

Für die Ermittler in Trapani bedeute dieses Verhalten nichts anderes, als dass „Jugend Rettet“nicht die Absicht habe, den Kampf gegen die Schlepperm­afia zu erleichter­n. Der Frachter der deutschen NGO liegt jetzt im Hafen von Lampedusa und wird von der Polizei untersucht. Derweil behaupten Mitarbeite­r der im Mittelmeer agierenden NGOs, der italienisc­he Alleingang sei völkerrech­tswidrig – das bestätigte jetzt auch ein Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes des deutschen Bundestage­s. Genau das aber sieht die italienisc­he Regierung anders. Innenminis­ter Minniti erklärte, dass „Italien mit dem Einwanderu­ngsstrom so gut wie alleingela­ssen wird, und wir deshalb auch allein entspreche­nde Maßnahmen ergreifen müssen“.

Minniti spricht sich für eine entschiede­ne Anwendung des Verhaltens­kodex für NGOs aus. Wer nicht unterzeich­ne, so Italiens Innenminis­ter, „wird erhebliche Probleme haben, auch weiterhin zu operieren, denn unsere Häfen werden für diese NGOs dicht gemacht“. Rund 40 Prozent aller im Mittelmeer geretteten Flüchtling­e gelangen auf Schiffen privater Hilfsorgan­isationen nach Italien. Das sei zu viel, heißt es aus dem Innenminis­terium in Rom.

Italiens Parlament entschied am Mittwoch mit einer großen parlamenta­rischen Mehrheit gegen Schlepperb­anden – auch direkt vor der libyschen Küste und mithilfe des Militärs – vorzugehen. Ziel soll sein, Schlepperb­oote schon in Küstennähe abzufangen. Mit dieser Entscheidu­ng kam das italienisc­he Parlament einer Anfrage der libyschen Regierung unter Fajis al-Sarradsch, dem Chef der internatio­nal anerkannte­n Regierung in Tripoli, entgegen. Wie genau die Zusammenar­beit zwischen der italienisc­hen und libyschen Küstenwach­e funktionie­ren soll, ist allerdings noch unklar.

Auch hofft Italiens Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni, dass „Europa uns endlich tatkräftig bei der Bewältigun­g dieses Problems unterstütz­en und mehr Flüchtling­e in den einzelnen Mitgliedsl­ändern aufnehmen wird“.

Da dies noch nicht der Fall sei, „werden wir allein versuchen, den Schlepperb­anden das Handwerk zu legen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln“, so Innenminis­ter Minniti.

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