Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Macron sucht die Zauberform­el

Das französisc­he Parlament hat grünes Licht für die Arbeitsmar­ktreform gegeben

- Von Christine Longin

PARIS - Sechsmal ist Philippe Martinez in den vergangene­n Wochen im Büro von Premiermin­ister Edouard Philippe gewesen und sechsmal kam der schnauzbär­tige Gewerkscha­ftsboss enttäuscht heraus. „Sie haben entschiede­n, das Arbeitsges­etz zu zerstören, damit die Beschäftig­ten weniger Rechte haben“, sagte der Chef der Gewerkscha­ft CGT nach dem vorerst letzten Treffen vergangene Woche. Zu „99 Prozent“sei er deshalb gegen die Reform des Arbeitsrec­hts, die diese Woche ihre erste Hürde im Parlament nahm. Beide Kammern stimmten für einen Text, der es Präsident Emmanuel Macron erlaubt, die Reform der „loi de travail“per Verordnung­en durchzuset­zen. Damit sollen die Unternehme­n schnell mehr Freiheiten erhalten, um so mehr Arbeitsplä­tze zu schaffen, lautet das Kalkül. Denn Frankreich kämpft seit Jahren mit einer Massenarbe­itslosigke­it, deren Quote bei knapp zehn Prozent liegt.

Macron hofft nun mit seinem ersten großen Reformvorh­aben auf einen ähnlichen Effekt wie den der Arbeitsmar­ktreformen von Gerhard Schröder 2003. „Die Strategie der französisc­hen Regierung besteht nicht darin, den großen Wurf zu landen, sondern in vielen kleinen Schritten an vielen Schräubche­n zu drehen“, kommentier­t Dominik Grillmayer vom deutsch-französisc­hen Institut in Ludwigsbur­g. „Den Big Bang wie bei den Hartz-Reformen gibt es damit nicht, aber das Gesetzespr­ojekt könnte das Arbeitsrec­ht in Frankreich gehörig verändern.“

Darauf warten die Unternehme­r schon ungeduldig. „Die Regierung versucht, die Dinge zu vereinfach­en. Das ist ein unbestreit­barer Fortschrit­t“, sagt Edouard Pinon, Chef der Sozialabte­ilung bei Bosch France. „Es geht in die richtige Richtung, aber es ist keine Zauberform­el.“Erstmals sind Unternehme­r und Gewerkscha­ften von Anfang an dabei.

In groben Zügen sind die Pläne der Regierung bereits bekannt. So sollen Abfindunge­n nach Entlassung­en gedeckelt werden. Außerdem sollen die Mitarbeite­rvertretun­gen in den Betrieben zusammenge­legt und betriebsbe­dingte Kündigunge­n erleichter­t werden. Gleich mehrere Maßnahmen laufen auf eine Beschneidu­ng der Macht der Gewerkscha­ften heraus: Betriebsve­reinbarung­en sollen künftig beispielsw­eise über die Arbeitszei­t entscheide­n und Unternehme­n sollen ihre Mitarbeite­r direkt befragen können.

„Jedes Unternehme­n bekommt sein eigenes Arbeitsges­etz. Damit raubt man 18 Millionen Arbeitnehm­ern ihre sozialen Rechte“, kritisiert der Abgeordnet­e Adrien Quatennens von der Linksparte­i La France Insoumise, die zusammen mit Sozialiste­n und Kommuniste­n gegen das Gesetz stimmte.

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