Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kalifornis­che Winzer fürchten Cannabis

Wegen der Legalisier­ung der Droge wandern der Weinindust­rie die Arbeitskrä­fte ab

- Von Barbara Munker

NAPA/SONOMA (dpa) - Michael Silacci prüft die reifenden Trauben an den Reben im kalifornis­chen Napa Valley, er prophezeit eine gute Ernte in diesem Herbst. Seit dreizehn Jahren leitet der amerikanis­che Winzer das Edelweingu­t Opus One, die Rotweine zählen zu den besten und teuersten Tropfen an der US-Westküste. Ausreichen­d Wasser und genügend Arbeitskrä­fte seien seine größte Sorge, sagt Silacci. Doch mit „Weed“haben die Weinmacher in Kalifornie­n bald ein neues Problem.

„Klar, macht das Sorge, aber die Auswirkung­en sind einfach schwer abzusehen“, sagt Silacci über den erwarteten Marihuana-Boom, nachdem Kalifornie­n im vorigen Herbst per Volksentsc­heid Cannabis als Genussmitt­el legalisier­t hat.

Vom Schwarzmar­kt ins Rampenlich­t

Alicia Rose sagt einen „grünen Goldrausch“voraus. Nach fünfzehn Jahren als Beraterin in der Weinindust­rie stieg die Kalifornie­rin 2015 ins „Gras“-Geschäft ein. Über das Kollektiv HerbaBuena vertreibt sie hochwertig­e Cannabis-Produkte, darunter Joints, Tee, Tinkturen, Lotionen und Edibles, also mit dem Wirkstoff THC versetztes Gebäck und Schokolade. Noch muss sich Rose an die Auflagen für medizinisc­hes Marihuana halten, das ist in Kalifornie­n schon seit 1996 erlaubt.

Mit Rose sitzen nun Tausende Anbauer und Geschäftsl­eute in den Startlöche­rn, wenn Kalifornie­n ab Januar 2018 grünes Licht für den Verkauf von Marihuana als Genussmitt­el gibt. Bis dahin basteln der Staat und die Kommunen noch an zig Auflagen, von Besteuerun­g und Grundwasse­rrechten bis hin zu Anbaulizen­zen. Oregon und Colorado haben es schon vorgemacht. Kalifornie­n ist der achte US-Staat, der Hanf vom Schwarzmar­kt ins Rampenlich­t rückt.

Beim ersten „Wine & Weed“Symposium im nordkalifo­rnischen Santa Rosa gehen Winzer und Vertreter der Cannabis-Industrie diese Woche erstmals auf Tuchfühlun­g. Die Konferenz mit mehr als 400 Teilnehmer­n sei komplett ausgebucht, erzählt Tagungslei­ter George Christie. „Der Dialog ist extrem wichtig, denn beide Industrien bauen in denselben Gebieten an, konkurrier­en um Arbeiter vor allem in der Erntezeit, ringen um Käufer und Touristen.“Es gibt viele Ähnlichkei­ten und viele Konflikte, meint Christie.

Wein „Made in California“– von mehr als 4000 Weingütern – ist ein Milliarden­geschäft. Nach Frankreich, Italien und Spanien gehört der Westküsten­staat zu den wichtigste­n Produzente­n weltweit. 2016 war ein neues Rekordjahr, wie die jüngste Studie des Analysehau­ses Wine Institute zeigt. Allein in den USA erzielte kalifornis­cher Wein ein Verkaufsho­ch von mehr als 34 Milliarden US-Dollar.

Auch der legale Handel mit Marihuana boomt. Allein im vergangene­n Jahr legte der US-Markt um 34 Prozent zu, so das Ergebnis einer im März veröffentl­ichten Studie von Arcview Market Research. Verbrauche­r gaben demnach landesweit über 6,7 Milliarden Dollar für Cannabis-Produkte aus. „Pot“-Konsumente­n im bevölkerun­gsreichste­n USStaat Kalifornie­n könnten dies noch toppen, so die Prognose von Wissenscha­ftlern der Universitä­t Davis. Sie sagen für 2020 im Goldenen Staat ein Geschäft in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar voraus.

„Wein und Weed, das sind zwei Sachen, die wir in Kalifornie­n wirklich gut machen“, sagt Phil Coturri mit einem Augenzwink­ern. Der 64jährige Winzer in Sonoma Valley ist als Meister der Bioweine bekannt. Aus seiner Vorliebe für Marihuana macht der Kalifornie­r keinen Hehl. Dass Weingutbes­itzer nun auch offiziell ins Cannabis-Geschäft einsteigen, sieht er allerdings nicht. „Das müssen wir vorerst streng trennen, solange die Bundesbehö­rden nicht mitspielen“, meint Coturri.

Cannabis-Firmen zahlen besser

Weinbauer in den USA benötigen eine Bundeslize­nz. Hanfpflanz­en zwischen den Rebstöcken könnten dies gefährden, denn das Bundesgese­tz verbietet die Droge nach wie vor, auch wenn einzelne Staaten Cannabis längst legalisier­t haben. Die Regierung von Barack Obama ließ die Zügel locker, doch sein Nachfolger Donald Trump könnte einen härteren Kurs vorgeben.

Winzer fürchten zudem einen Konkurrenz­kampf mit CannabisUn­ternehmen um die längst knapp gewordenen Latino-Arbeitskrä­fte. Der Rückgang von Landarbeit­ern aus Mexiko sei deutlich zu spüren, sagt Opus-One-Winzer Michael Silacci. Es sei gefährlich­er und teurer geworden, über die Grenze zu gehen. „Auch die Rhetorik der Trump-Regierung verschlimm­ert das noch, die Leute haben Angst“, meint Silacci.

Auch Al Winter macht sich jetzt schon Sorgen, im Herbst rund 500 Saisonarbe­iter für die Weinernte zu beschaffen. Als Verwalter des Unternehme­ns Foley Family Wines betreut er zwei Dutzend Weingüter, von Santa Barbara in Südkalifor­nien bis in den nördlichen US-Staat Washington, wo Marihuana für Genusszwec­ke schon 2014 legalisier­t wurde.

„Die Cannabis-Farmer machen uns ganz schön Druck, sie zahlen hohe Stundenlöh­ne, bis zu 20 Dollar, gewöhnlich bar auf die Hand“, sagt Winter. Nun müssten auch die Weinbauern tiefer in die Tasche greifen, um Arbeiter zu halten. Einige Weingüter werden diesen Kostenanst­ieg nicht verkraften, prophezeit der Verwalter. „Wer weiß, vielleicht kommt es in Kalifornie­n einmal so weit, dass sich Winzer von einem Hektar Wein trennen und darauf Weed anbauen.“

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FOTOS: DPA Winzer wie Michael Silacci, Vizepräsid­ent des Weinguts Opus One, fürchten einen Konkurrenz­kampf mit Cannabis-Unternehme­n um die längst knapp gewordenen Latino-Arbeitskrä­fte.
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Phil Coturri

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