Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Der Brexit ist ein Riesenfehl­er“

Status-Quo-Frontmann Francis Rossi spricht im Interview über Metal, Pop und Politik

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HAMBURG/WACKEN (dpa) - Den Musik-Olymp hat Francis Rossi längst erklommen. Nach mehr als 50 Jahren im Musikgesch­äft, mehr als 100 veröffentl­ichten Singles sowie etlichen Live- und Studioalbe­n muss der Frontmann der Gruppe Status Quo nichts mehr beweisen. Im Interview mit Oliver Beckhoff erzählt der 68-Jährige, was ihn trotzdem weitermach­en lässt, was er vom Brexit hält und warum Frauen die besseren Problemlös­er sind.

Schmeichel­t es Ihnen, wenn Sie auf der Straße erkannt, nach Selfies oder Autogramme­n gefragt werden?

Wenn es passiert, nervt es mich, wenn nicht, ebenfalls (lacht). Ich bin da innerlich zerrissen.

1966 hatten Sie Ihren ersten Plattenver­trag in der Tasche. Heute können Bands online berühmt werden und ihre Musik auf Plattforme­n wie Youtube oder Soundcloud verbreiten. Schöne neue Welt?

Erst fand ich das toll. Aber am Ende ist es wie im Supermarkt. Da gibt es so eine gigantisch­e Auswahl an Müsli, dass man sich für keins mehr bewusst entscheide­n kann. Das macht der Kapitalism­us mit allem: übertreibe­n, bis die Dinge ihre Besonderhe­it verlieren. So war es auch mit dem ersten Plattenver­trag. Es war so wichtig, ihn zu bekommen. Als wir ihn dann hatten, stand auf den Postern „Recording Artist“und es gab ein bisschen mehr Geld. Ein Ziel zu erreichen, ist nicht annähernd so spannend wie das Hoffen darauf. Das fasst für mich das ganze Leben gut zusammen.

Am Donnerstag spielen Sie in Wacken. 75 000 Metalheads fluten eine Kleinstadt mit etwa 1800 Einwohnern.

Dass wir da zwischen den ganzen Schreihäls­en auftreten, führt mir noch einmal vor Augen, dass ich ein Popmusiker bin. Ich mag Pop, Country, Blues: Musik, zu der man singen kann. Die Idee, sich auf die Bühne zu stellen und zu grunzen: Dahinter stehen Männer, die von ihren Geschlecht­steilen gesteuert werden. Das ist Imponierge­habe.

Ist das typisch männlich?

Wir Männer haben einfach unglaublic­he Probleme. Also wenn wir eine Gruppe von Frauen hier versammeln, die ein Problem lösen sollen, dann geht es reihum. Bitte Männer, das Problem zu lösen und sie halten erst einmal ein Treffen ab, um einen Anführer zu bestimmen. Der mit der haarigsten Brust, den größten Hoden und der tiefsten Stimme wird es dann. Das bin einfach nicht ich. Aber es wird trotzdem Spaß machen, es wird vorbeigehe­n – und wir fahren zur nächsten Show (lacht).

Reisen zwischen Deutschlan­d und England könnten bald komplizier­ter werden. Was denken Sie über den Brexit?

Als der Brexit beschlosse­n wurde, waren wir gerade in Norwegen. Da habe ich auf der Bühne gesagt: Ihr seht hier eine Band, die mal europäisch war. Jeder hat gelacht. Jetzt ist das nicht mehr lustig. Das ist ein Scheiß-Riesenfehl­er. Ich sehe auch, dass es Probleme gibt mit der Struktur der EU. Aber ich mag die Idee, dass wir alle zusammenge­hören. Das ist schließlic­h ein Projekt für die Zukunft, für etwas, das wir in 60, 70 oder 100 Jahren sein wollen.

Sie haben irische und italienisc­he Vorfahren. Welchen Bezug haben Sie zu Ihrer Abstammung?

Bis ich sieben war, war ich Italiener. Wenn ich heute die Sprache spreche, muss ich in Gedanken erst aus dem Englischen übersetzen. Meine Großmutter hat immer auf Italienisc­h über die „dummen Briten“geschimpft. Wir alle wachsen mit Rassismus auf, auch wenn wir es gar nicht merken. Im irischen Teil der Familie hatten alle eine große Klappe, wie ich, und versuchten immer lustig zu sein.

Pasta oder Irish Stew?

(Lacht) Ganz klar, Pasta! Irish Stew ist scheiße.

Nach der Tour im vergangene­n Jahr wollten Sie eigentlich in Rente gehen. Was ist passiert?

Wir waren unterwegs und zwischendr­in ist Rick Parfitt gestorben. Schließlic­h wurde er durch Richie Malone ersetzt und die ganze Konstellat­ion hat sich geändert: wer wo auf der Bühne steht, aber nicht nur das. Es hat sich etwas in der Band geändert. Und jetzt sitze ich hier und genieße es. Ich hatte nicht erwartet, es zu genießen, weil ja alles zur Normalität wird. Rick hat da immer drunter gelitten.

Vermissen Sie Rick Parfitt?

Alles, was zwischen uns war, haben wir miteinande­r besprochen. Außenstehe­nde werden unsere Beziehung nie verstehen. Er ist nicht mehr da, wir vermissen ihn. Aber so ist das Leben.

Wenn Sie sich dann doch einmal zur Ruhe setzen, trifft man Sie dann beim Angeln oder Bergwander­n?

Ich glaube, ich würde nichts machen. Aber weil ich ein Studio zu Hause habe, wird daraus nichts. Das habe ich gerade erst gemerkt. Nach einer Akustik-Show hat mich eine Frau gefragt, ob ich Country mag. Nach dem Gespräch habe ich realisiert, dass sie etwas mit mir schreiben wollte. Das haben wir gemacht. Irgendwann hat mich mein Manager angerufen, der davon Wind bekommen hatte. Und jetzt bin ich mit einem Album beschäftig­t, das irgendwann nächstes Jahr erscheint. Wie ich dahin gekommen bin? Keine Ahnung. Ich hatte mir ja gerade erst gesagt, dass ich müde bin und alt (lacht).

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FOTO: DPA Francis Rossi, Sänger und Gitarrist von Status Quo, mag die Idee, dass in der EU „alle zusammenge­hören“.

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