Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bandkerami­k aus dem Baugebiet

Grabungste­am präsentier­t beim Nachmittag der offenen Grabung Funde aus Neuweiher II

- Von Annette Grüninger

BAD BUCHAU - Bis in Bad Buchaus neuem Baugebiet Neuweiher II die ersten Häuser stehen, dürften noch zwei Jahre ins Land gehen. Doch geschafft wird dort schon jetzt. Vor den Bauarbeite­rn sind derzeit die Mitarbeite­r des Landesamts für Denkmalpfl­ege zugange, um bei einer Rettungsgr­abung archäologi­sche Schätze zu bergen. Eine Auswahl davon präsentier­ten sie nun bei einem Nachmittag der offenen Grabung. Etliche Besucher waren gekommen, um dem Grabungste­am über die Schulter zu blicken.

Die Sonne sticht. Hier draußen im Ried wirkt die Luft besonders schwül und schwer. Trotz des Sonnenschi­rms rinnt Karl Thiel der Schweiß, als er mit der Hacke eine dünne Schicht Torf abzieht. Planvoll, mit ruhiger Hand – und scharfem Auge. „Das ist ja die eigentlich­e Arbeit: nicht nur Sediment auszubudde­ln, sondern es zu beurteilen“, erklärt der Grabungsar­beiter und greift in den Morast, um ein schwarzes Stück Holz aufzulesen. Eiche, meint Thiel, während er es in den Händen dreht. Die schräge Kante könne nur durch Bearbeitun­g entstanden sein – und zwar nicht mit einem steinzeitl­ichen Werkzeug, sonst wäre der Abschlag nicht so glatt. Genaueres lasse sich aber erst nach einer dendrochro­nologische­n Untersuchu­ng sagen, bei der das Alter des Holzes anhand der Jahresring­e bestimmt wird.

Überbleibs­el früherer Zeiten, die über Jahrtausen­de im Erdreich schlummert­en – davon ist Karl Thiel fasziniert. Früher habe er als Kommunikat­ionsdesign­er gearbeitet, bevor er zum Grabungsar­beiter umsattelte: „Hier fühle ich mich wie ein Junge im Sandkasten.“Und tatsächlic­h hat das Team unter Grabungste­chniker Paul Scherrer in Neuweiher II in den vergangene­n Monaten schon manchen interessan­ten Fund zu Tage gefördert.

Dies sei alles andere als selbstvers­tändlich, erklärt Dr. Renate Ebersbach, Fachbereic­hsleiterin für Feuchtbode­narchäolog­ie am Landesamt für Denkmalpfl­ege in Hemmenhofe­n. Noch bis vor einigen Jahren galt der Bereich am südöstlich­en Ortsende Bad Buchaus als archäologi­sch uninteress­ant, da mögliche Funde durch die systematis­che Entwässeru­ng zerstört worden seien. Doch das Hangwasser habe zumindest im Teilstück bis zum ersten Entwässeru­ngsgraben für Feuchterha­ltung gesorgt, so Ebersbach.

Neuweiher II befinde sich am Südende der ehemaligen Insel. Wo sich heute das Ried erstreckt, brachen sich einst die Wellen des Federsees. Für Archäologe­n scheint dieser Spülsaum des Sees sehr ergiebig zu sein. Im feuchten Moorboden haben sich bis heute die natürliche Ufervegeta­tion, Reste der prähistori­schen Federseena­tur, erhalten. Dazu gehören Wassernüss­e, Blätter – aber auch ein Holzstamm, der vor Tausenden von Jahren von einem Biber benagt wurde. „Es muss nur noch datiert werden, ob es ein römischer oder keltischer Biber war“, scherzt Ebersbach.

Hinzu kommen archäologi­sche Objekte in einer erstaunlic­hen Vielzahl und Bandbreite. Von der Altsteinze­it bis zur Neuzeit seien praktisch alle Epochen vertreten. „Wir können die Geschichte des ganzen Seeufers erzählen“, freut sich die Feuchtbode­narchäolog­in. Und das obwohl sich das Grabungste­am außerhalb des eigentlich­en Siedlungsb­ereichs bewege. „Die Funde ergeben eine Art Hintergrun­drauschen der Siedlungsg­eschichte.“

Einer der spektakulä­rsten Funde bisher sei wohl das eisenzeitl­iche Einbaumfra­gment, auf das die Mitarbeite­r des Landesdenk­malamts im vergangene­n Jahr stießen (SZ berichtete). Es stammt aus dem dritten Jahrhunder­t vor Christus und stellt als einziger Fund dieser Art aus der Keltenzeit eine Besonderhe­it dar.

Überrascht wurde Ebersbach aber auch von Spuren aus der Römerzeit, etwa einem Paddel, und einem fast vollständi­gen bandkerami­schen Gefäß, Spuren der ältesten Bauern in Europa, die für die Region äußerst untypisch sind. Zu den ältesten Funden zählen Rentierkno­chen, die mindestens aus der Zeit von 10 000 vor Christus stammen und Schnittspu­ren der eiszeitlic­hen Jäger aufweisen.

Ab 2019 kann dann gebaut werden

Noch bis Herbst 2018 sollen die Rettungsgr­abungen an Neuweiher II fortgeführ­t werden. Doch schon im Sommer 2018 möchte die Federseeba­nk als Investor mit der Erschließu­ng beginnen. Deshalb sind die Grabungsar­beiter zunächst im Bereich der Erschließu­ngsstraße zugange. „Das Landesamt für Denkmalpfl­ege ist uns hier sehr entgegenge­kommen“, freut sich Ulrich Bossler. Vorstand der Federseeba­nk, die auch einen Teil der Grabungsko­sten übernimmt. Interessen­ten für die 26 bis 27 Bauplätze gebe es bereits, berichtet Bossler, der damit rechnet, dass die Bauherren spätestens Anfang 2019 dann auch loslegen können.

Bis dahin wird sich zeigen, ob Karl Thiel und seine Kollegen noch weitere spektakulä­re Funde aus dem Erdreich bergen. Eine Auswahl davon ist bereits jetzt – frisch aus dem Moor – im Federseemu­seum zu sehen.

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SZ-FOTO: ANNETTE GRÜNINGER So manchen spannenden Fund haben Archäologi­n Dr. Renate Ebersbach und ihr Team schon von Bad Buchaus künftigem Baugebiet Neuweiher II zu Tage gefördert: Auch ein Stück Holz mit einem jahrtausen­dealten Biberbiss ist dabei.

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