Bandkeramik aus dem Baugebiet
Grabungsteam präsentiert beim Nachmittag der offenen Grabung Funde aus Neuweiher II
BAD BUCHAU - Bis in Bad Buchaus neuem Baugebiet Neuweiher II die ersten Häuser stehen, dürften noch zwei Jahre ins Land gehen. Doch geschafft wird dort schon jetzt. Vor den Bauarbeitern sind derzeit die Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege zugange, um bei einer Rettungsgrabung archäologische Schätze zu bergen. Eine Auswahl davon präsentierten sie nun bei einem Nachmittag der offenen Grabung. Etliche Besucher waren gekommen, um dem Grabungsteam über die Schulter zu blicken.
Die Sonne sticht. Hier draußen im Ried wirkt die Luft besonders schwül und schwer. Trotz des Sonnenschirms rinnt Karl Thiel der Schweiß, als er mit der Hacke eine dünne Schicht Torf abzieht. Planvoll, mit ruhiger Hand – und scharfem Auge. „Das ist ja die eigentliche Arbeit: nicht nur Sediment auszubuddeln, sondern es zu beurteilen“, erklärt der Grabungsarbeiter und greift in den Morast, um ein schwarzes Stück Holz aufzulesen. Eiche, meint Thiel, während er es in den Händen dreht. Die schräge Kante könne nur durch Bearbeitung entstanden sein – und zwar nicht mit einem steinzeitlichen Werkzeug, sonst wäre der Abschlag nicht so glatt. Genaueres lasse sich aber erst nach einer dendrochronologischen Untersuchung sagen, bei der das Alter des Holzes anhand der Jahresringe bestimmt wird.
Überbleibsel früherer Zeiten, die über Jahrtausende im Erdreich schlummerten – davon ist Karl Thiel fasziniert. Früher habe er als Kommunikationsdesigner gearbeitet, bevor er zum Grabungsarbeiter umsattelte: „Hier fühle ich mich wie ein Junge im Sandkasten.“Und tatsächlich hat das Team unter Grabungstechniker Paul Scherrer in Neuweiher II in den vergangenen Monaten schon manchen interessanten Fund zu Tage gefördert.
Dies sei alles andere als selbstverständlich, erklärt Dr. Renate Ebersbach, Fachbereichsleiterin für Feuchtbodenarchäologie am Landesamt für Denkmalpflege in Hemmenhofen. Noch bis vor einigen Jahren galt der Bereich am südöstlichen Ortsende Bad Buchaus als archäologisch uninteressant, da mögliche Funde durch die systematische Entwässerung zerstört worden seien. Doch das Hangwasser habe zumindest im Teilstück bis zum ersten Entwässerungsgraben für Feuchterhaltung gesorgt, so Ebersbach.
Neuweiher II befinde sich am Südende der ehemaligen Insel. Wo sich heute das Ried erstreckt, brachen sich einst die Wellen des Federsees. Für Archäologen scheint dieser Spülsaum des Sees sehr ergiebig zu sein. Im feuchten Moorboden haben sich bis heute die natürliche Ufervegetation, Reste der prähistorischen Federseenatur, erhalten. Dazu gehören Wassernüsse, Blätter – aber auch ein Holzstamm, der vor Tausenden von Jahren von einem Biber benagt wurde. „Es muss nur noch datiert werden, ob es ein römischer oder keltischer Biber war“, scherzt Ebersbach.
Hinzu kommen archäologische Objekte in einer erstaunlichen Vielzahl und Bandbreite. Von der Altsteinzeit bis zur Neuzeit seien praktisch alle Epochen vertreten. „Wir können die Geschichte des ganzen Seeufers erzählen“, freut sich die Feuchtbodenarchäologin. Und das obwohl sich das Grabungsteam außerhalb des eigentlichen Siedlungsbereichs bewege. „Die Funde ergeben eine Art Hintergrundrauschen der Siedlungsgeschichte.“
Einer der spektakulärsten Funde bisher sei wohl das eisenzeitliche Einbaumfragment, auf das die Mitarbeiter des Landesdenkmalamts im vergangenen Jahr stießen (SZ berichtete). Es stammt aus dem dritten Jahrhundert vor Christus und stellt als einziger Fund dieser Art aus der Keltenzeit eine Besonderheit dar.
Überrascht wurde Ebersbach aber auch von Spuren aus der Römerzeit, etwa einem Paddel, und einem fast vollständigen bandkeramischen Gefäß, Spuren der ältesten Bauern in Europa, die für die Region äußerst untypisch sind. Zu den ältesten Funden zählen Rentierknochen, die mindestens aus der Zeit von 10 000 vor Christus stammen und Schnittspuren der eiszeitlichen Jäger aufweisen.
Ab 2019 kann dann gebaut werden
Noch bis Herbst 2018 sollen die Rettungsgrabungen an Neuweiher II fortgeführt werden. Doch schon im Sommer 2018 möchte die Federseebank als Investor mit der Erschließung beginnen. Deshalb sind die Grabungsarbeiter zunächst im Bereich der Erschließungsstraße zugange. „Das Landesamt für Denkmalpflege ist uns hier sehr entgegengekommen“, freut sich Ulrich Bossler. Vorstand der Federseebank, die auch einen Teil der Grabungskosten übernimmt. Interessenten für die 26 bis 27 Bauplätze gebe es bereits, berichtet Bossler, der damit rechnet, dass die Bauherren spätestens Anfang 2019 dann auch loslegen können.
Bis dahin wird sich zeigen, ob Karl Thiel und seine Kollegen noch weitere spektakuläre Funde aus dem Erdreich bergen. Eine Auswahl davon ist bereits jetzt – frisch aus dem Moor – im Federseemuseum zu sehen.