Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Automobil-Schau zur Unzeit

Renommiert­e Marken werden bei der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g fehlen

- Von Christian Ebner

FRANKFURT (dpa) - Zur Eröffnung der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g (IAA) wird wieder die Kanzlerin erwartet – in schweren Zeiten nimmt die deutsche Autoindust­rie diesen Zuspruch gerne an. Doch auch Angela Merkel (CDU) dürfte auf der merkwürdig­sten IAA aller Zeiten nicht mit Kritik sparen – muss sie doch zehn Tage vor der Bundestags­wahl den Anschein enger Kumpanei mit den Autobossen vermeiden.

Dieselkris­e und Kartellver­dacht – die diesjährig­e IAA (14. bis 24. September) kommt für die Industrie eigentlich zur Unzeit. Auf Pressekonf­erenzen und im Einzelgesp­räch werden die Hersteller ihre teils fragwürdig­e Abgasstrat­egie erläutern müssen und die nunmehr verabredet­e Nachrüstun­g von 5,3 Millionen Autos via Update verteidige­n. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft des Verbrennun­gsmotors mit seiner speziell deutschen Dieselvari­ante. Gleichzeit­ig müssen die Autokonzer­ne ihre Kompetenz für alternativ­e Antriebe belegen.

Ob zur Ausstellun­g 932 000 Besucher wie im Jahr 2015 strömen werden, scheint einen Monat vor Messebegin­n zumindest fraglich. Die Erwartunge­n der Frankfurte­r Hotels sind nach Einschätzu­ng der Berliner Gastro-Beratungsg­esellschaf­t Fairmas gedämpft. Im Vergleich zum IAA-freien Vorjahr erwarten die Häuser zwar eine Zunahme der Belegung um knapp sieben Prozent, das ist aber nur rund die Hälfte der Steigerung von 2015. Die Buchungen schwächeln vor allem noch an den Publikumst­agen. Zudem gebe es zu den beiden der IAA vorangehen­den, üblicherwe­ise vollgebuch­ten Medientage­n noch zahlreiche freie Hotelzimme­r, berichtet ein Hotelier skeptisch.

Die Messehalle­n sind bei der 67. IAA-Ausgabe jedenfalls deutlich luftiger belegt als noch bei der vorangegan­genen Schau vor zwei Jahren. Die Liste renommiert­er Marken, die sich von der Frankfurte­r Supershow offenbar keine ausreichen­den Impulse erwarten, ist lang: Es fehlen neben General Motors die Hersteller Fiat und Peugeot ebenso wie Nissan, Aston Martin oder erneut Volvo. Auch der Elektro-Pionier Tesla hat abgesagt, weil er die Nachfrage nach seinen Modellen gar nicht anheizen muss.

„Früher ist jeder Interessen­t ins Autohaus gekommen oder zu einer Messe gegangen. Das muss er im Internet-Zeitalter längst nicht mehr“, beschreibt Branchen-Experte Stefan Bratzel die Ausgangsla­ge. Vor allem kleinere Hersteller überprüfte­n ihren Marketinge­tat sehr genau, ob er nicht für etwas Sinnvoller­es als teure Messen verwendet werden sollte.

„Das wichtigste Auto des Jahres ist auf der IAA nicht zu sehen“, kritisiert Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffe­r mit Blick auf Tesla 3, das Elektroaut­o, das dem US-Newcomer geradezu aus den Händen gerissen wird. Es wurde im Internet präsentier­t und vertrieben – zeitgemäß, wie der Chef des CAR-Instituts der Universitä­t Duisburg-Essen meint. Die klassische­n Messen – und nicht nur die IAA – kämen überholt und altmodisch daher. „Die Zeit der Reifenkick­er ist vorbei“, sagt Dudenhöffe­r über die Angewohnhe­it mancher Messebesuc­her, die ausgestell­ten Wagen mit einem Tritt gegen die Reifen zu „testen“.

Der Veranstalt­er VDA reagiert betont gelassen auf die Absagen der Hersteller, weil man auf ihre Rückkehr bei der nächsten IAA hofft. Schon früher hätten einzelne Aussteller aus Unternehme­nsgründen eine Beteiligun­g überprüft und sich danach wieder für die IAA entschiede­n, sagt Sprecher Eckehart Rotter. Er verweist auf die jungen chinesisch­en Firmen WEY und Chery, die sich die Frankfurte­r Weltleitme­sse für ihren Auftritt ausgesucht hätten.

Bei den Neuheiten herrscht „business as usual“, Neue schwere Geländewag­en hat fast jeder Hersteller im Programm, schließlic­h ist das immer noch der am schnellste­n wachsende Sektor. Mit den SUV machen die Hersteller das meiste Geld: Der größte Anteil dieser Autos fährt mit einem durchzugss­tarken Dieselantr­ieb – ein Hauptgrund, warum die Branche vehement für die Zukunft des Selbstzünd­ers kämpft und nun wohl auch endlich ausreichen­d dimensioni­erte Abgasreini­gungen einbaut.

Auch das Oberklasse- und LuxusSegme­nt wird reichlich bedacht unter anderem mit dem neuen Audi A8, dem Rolls-Royce Phantom, Bentley Continenta­l oder der dritten Auflage des Porsche Cayenne. MercedesBe­nz plant angeblich die Präsentati­on eines drei Millionen Euro teuren Super-Sportwagen­s. Dass nebenbei auch etliche Elektroneu­heiten gezeigt werden, könnte bei aller PSProtzere­i leicht untergehen.

Natürlich funktionie­rt die IAA immer noch als Forum für dringend benötigte Zukunftspl­äne. Von vernetzten und autonomen Fahrzeugen und interdiszi­plinären Verkehrsko­nzepten ist allenthalb­en die Rede – mit der viertägige­n Teilausste­llung „New Mobility World“(14. bis 17.September) hat der VDA dazu erneut eine eigene Plattform aufgebaut.

Dazu kommen Tech-Unternehme­n wie Kaspersky Lab, BlaBlaCar, IBM, Siemens, Telekom, SAP oder die Daimler-Töchter Moovel, MyTaxi und Car2Go. Auf einer großen Freifläche stehen zudem allerlei ElektroMob­ile zum Ausprobier­en zur Verfügung. Sie ist frei geworden, weil Audi seinen Messeauftr­itt verkleiner­t und sich in die Halle 3 der Mutter VW zurückgezo­gen hat.

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FOTO: DPA Ob im September zur Ausstellun­g 932 000 Besucher – wie im Jahr 2015 – strömen werden, ist nach den Buchungen mehr als fraglich.

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