Baustellen-Drama, letzter Akt
In den Sommerferien werden Bestuhlung und Teppich im Zuschauerraum des Ulmer Theaters erneuert
ULM (sz) - Das Theater ist ein Ort der großen Gefühle. Doch Architekt Michael Eichenhofer spürt dort vor allem eines: Druck. Zeitdruck. „Derzeit sieht es hier übel aus“, sagt der Fachmann vom zentralen Gebäudemanagement der Stadt Ulm beim Gang durch das Große Haus. Und jeder Theatergänger dürfte ihm beipflichten. Denn in dem Saal, in dem sonst mehr als 800 Menschen Platz nehmen können, herrscht Leere. Die alten Sessel sind weg, der Teppichboden gleich mit. Arbeiter bohren die Verankerungen aus dem blanken Beton. Seit zehn Jahren wird im Theater Ulm gebaut. Aber so schlimm hat es in dem Gebäude tatsächlich noch nie ausgesehen.
Der Austausch der Bestuhlung und des Teppichbodens, der rund eine Million Euro kostet, ist der letzte große Abschnitt der Sanierung. Und einer, der Planer Eichenhofer einiges abverlangt. „Wir haben jetzt schon eine Bauverzögerung“, sagt er. „Es ging nicht so schnell, wie wir uns das vorgestellt haben.“Denn mit dem Ausbau der alten Sessel ist es natürlich nicht getan. „Ich kann mich erst freuen, wenn der erste Stuhl steht“, sagt der Architekt. Zuvor muss der neue Teppichboden verlegt werden und die Zeit drängt: In nicht einmal einem Monat beginnen die Bühnenproben im Großen Haus. Und die lassen sich schlecht mit Bohr- und Schraubgeräuschen vereinbaren.
Mit engen Zeitplänen umzugehen, hat Eichenhofer in den vergangenen Jahren gelernt. Und auch, mit Problemen umzugehen. Denn unfallfrei ist die insgesamt rund 26 Millionen Euro teure Sanierung mitnichten verlaufen. Unter anderem gab es Firmenpleiten – von denen eine den Theatermitarbeitern noch immer zu schaffen macht. Sie betrifft die Mithör-und Durchsageanlage. Diese wurde vor einiger Zeit durch ein neues System ersetzt, das gleichzeitig auch für die Alarmierung zuständig ist. „Das hätten wir nicht tun sollen“, gibt Eichenhofer zu. Die Sicherheit ist nicht gefährdet, der Betrieb bisweilen aber schon, wie Intendant Andreas von Studnitz berichtet. Manchmal kämen Durchsagen des Inspizienten, der unter anderem zur Probe oder zur Maske ruft, einfach nicht an. „Das ist natürlich fatal.“
Schlimmer wiegt jedoch ein anderes technisches Problem – weil es die Bühne betrifft und deswegen auch die Besucher. Es geht um die Drehbühne. „Früher hat der Antrieb noch funktioniert, jetzt nur noch bedingt“, schimpft der Intendant. Das Problem ist nicht, dass sich die Plattform nicht dreht (das tut sie nämlich), sondern, dass sie sich nicht zuverlässig vor und zurück über die Bühne auf eine festgelegte Position fahren lässt. Jedenfalls nicht ohne Aufsicht durch Bühnenarbeiter. Das macht die Drehbühne als szenisches Mittel unbrauchbar. „So etwas muss in einem Theater funktionieren“, sagt Eichenhofer, der aus seinem Ärger keinen Hehl macht. Aus heutiger Sicht wäre die Anschaffung einer neuen Drehbühne statt der Umbau der vorhandenen schlauer gewesen. Immerhin: Eichenhofer hofft, dass der nächste Reparaturversuch endlich erfolgreich ist.
Trotz aller Probleme: Auf der Dauerbaustelle Theater ist ein Ende in Sicht. Denn wenn die Stühle montiert sind und 2018 der Vorplatz nach der Fertigstellung der Straßenbahntrasse neu gestaltet ist, ist die Sanierung tatsächlich beendet. Etwa 26 Millionen Euro wird die Stadt dann in ihr Theater gesteckt haben – veranschlagt waren vor mehr als zehn Jahren 18,3 Millionen. Was Eichenhofer zufolge aber keine bemerkenswerte Überschreitung ist: Schließlich müsse man die Kosten für die Sessel – die waren damals noch gar nicht eingeplant – abziehen und die übliche jährliche Teuerung von drei Prozent einrechnen.
Bei allen Schwierigkeiten: Es deutet sich ein glückliches Ende an. Die Tragödien werden sich eher auf der Bühne abspielen: Erste Premiere im Großen Haus ist die Charles-Gounods-Oper „Faust“am 28. September – die Zuschauer können dabei die neuen Sitze genießen.