„Psychohölle“statt Versöhnung für den Ex
Eine 53-Jährige soll ihren Verflossenen eingesperrt und brutal bedroht haben
ULM (sz) - Wegen Menschenraubs, Geiselnahme, schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung hat der Staatsanwalt in einem Landgerichtsprozess in Ulm für eine 53-jährige Frau eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert. Er sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte ihren ExFreund in der Nacht vom 24. auf den 25. April 2013 in dessen Wohnung gefesselt, geknebelt und mit einem Messer bedroht und verletzt habe. Die Erste Große Strafkammer gab jedoch nach dem eigentlichen Abschluss der Beweisaufnahme und den Plädoyers einem Hilfsantrag des Verteidigers statt, noch einmal einen medizinischen Gutachter zu laden. Daher wird die Verhandlung fortgeführt und die Plädoyers müssen neu gehalten werden.
Ein ungewöhnlicher Fall
Mit einem facettenreichen wie ungewöhnlichen Fall müssen sich die Richter seit Anfang Juli beschäftigen. Er wurde erst jetzt aufgerollt. Der leitende Oberstaatsanwalt hatte damals trotz der erheblichen Strafvorwürfe keine Untersuchungshaft angeordnet, weil er keine Fluchtgefahr bei der Frau erkannte. Weil aber Haftsachen Vorrang haben und die Gerichte an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen sind, kam es so spät zur Verhandlung. Das machte die Sache nicht einfacher, weil sich der Geschädigte im Verlauf des Verfahrens im Zeugenstand zunächst nur mühsam erinnerte, weil er diesen „Akt des Wahnsinns“aus purer Angst innerlich verdrängt habe.
Doch seine Aussagen damals bei der Kriminalpolizei sprechen Bände über den Vorgang. Wenn die Angaben stimmen, hatte der 59-jährige Ulmer vor einigen Jahren die 53-jährige Frau kennen gelernt, was er heute bereut. Offensichtlich war der vermögende Mann in die Frau so verliebt, dass er sie mit Geschenken und Geld überhäufte und ihr auch noch eine Wohnung finanzierte. Vor Gericht sagte der Mann, die Angeklagte habe ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. „Ich war die Melkkuh.“Als er 2013 die mehrjährige Beziehung beendete und ihr den Geldhahn zudrehte, habe sie auf Rache gesonnen, mutmaßt er heute. Unter dem Vorwand, ein Versöhnungsgespräch führen zu wollen, besuchte die Frau den Ex-Partner am Abend des 24. April. Das bestätigt die Angeklagte vor Gericht. Was sich dann weiter abspielte, waren aus der Sicht der Beschuldigten harmlose Angelegenheiten, aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber schwere Straftaten.
So habe die Frau den 59-Jährigen in dessen Wohnung eingesperrt, den Mann mit Klebeband gefesselt und ihn unter anderem mit einem Geschirrtuch geknebelt. Dann habe sie mit einem 30 Zentimeter langen Brotmesser vor seinen Augen herumgefuchtelt und das Opfer nicht nur bedroht, sondern auch verletzt. Dabei habe sie ihm angekündigt, er werde diese Nacht nicht überleben. Unter Zwang habe er Kündigungsschreiben seiner Arbeitsstellung und seiner beiden Wohnungen verfassen müssen. Die körperliche wie seelische Tortur sei die ganze Nacht gegangen. Auch früh morgens war kein Ende der „Psychohölle“in Sicht. Da habe die Frau, die nicht einschlägig vorbestraft ist, den Ex-Partner als Geisel genommen und ihn mit gezücktem Messer zu seinem Wagen bugsiert. Der stand in der Garage, die so klein war, dass zwei Personen nicht gleichzeitig einsteigen konnten. So ließ die Angeklagte den Mann zuerst einsteigen und wartete vor dem Garagentor auf ihn. Doch der verriegelte die Autotüren und fuhr an seiner mutmaßlichen Peinigerin vorbei – direkt zur Polizei.
Während der Staatsanwalt die Anklageschrift durch die Beweisaufnahme in jedem Punkt für erwiesen ansah, zerpflügte der Verteidiger die Argumente regelrecht. Einen solchen Fall habe er in 20 Berufsjahren noch nicht erlebt, sagte der Verteidiger und belegte mit Details seine Zweifel an den Angaben des Geschädigten. „Das Gesamtgeschehen ist nicht erklärbar“, sagte er. Man müsste weitere Sachaufklärung betreiben. Er plädierte für Freispruch seiner Mandantin mangels stichhaltiger Beweise. Ein medizinischer Gutachter soll nun herausfinden, ob der Geschädigte wirklich in dieser Nacht durch ein Messer verletzt wurde oder – wie der Verteidiger glaubt – keine Spuren darauf hinweisen.