Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kulissen im Keller

An der Filmuniver­sität Konrad Wolf in Potsdam studieren 675 Studenten – geforscht wird an den Techniken für die Filme der Zukunft

- Von Klaus Peters

POTSDAM (dpa) - Im Keller der Filmuniver­sität Konrad Wolf klebt Praktikant­in Angelique Brandt den Straßenbel­ag des fiktiven Dorfs an der schottisch­en Küste. Das ist mühsam, Pflasterst­ein für Pflasterst­ein, aus Pappe. Das Heimatdorf von Seefahrern – Matrosen, Piraten und des Tiefseetau­chers Nemo. „Laika und Nemo“heißt der geplante, 15-minütige Stop-Motion-Film. Produziert als Examensarb­eit von Studenten aller Gewerke – vom Filmmusikk­omponisten über den Kulissenba­uer bis zum Drehbuchsc­hreiber Jan Gadermann und zum Regisseur Sebastian Grutza. „Die Geschichte habe ich schon seit sechs Jahren im Kopf, nachdem ich mir auf einem Berliner Flohmarkt ein T-Shirt mit dem Aufdruck eines Tiefseetau­chers und eines Astronaute­n gekauft habe“, erzählt Gadermann. In dem Küstendorf tragen alle Bewohner Berufsklei­dung, und Nemo wird wegen seines großen Taucherhel­ms schon in der Schule gemobbt. Er wird erst einmal Leuchtturm­wärter – bis die Bruchlandu­ng der Astronauti­n Laika sein Leben von Grund auf verändert.

Gliederpup­pen aus Metall

Bis Ende August dauern die Dreharbeit­en im Kellerstud­io der Universitä­t noch, der Aufbau läuft schon seit Anfang des Jahres. Die Hauptfigur­en wurden als Gliederpup­pen aus Metall mit Lötkolben und Bunsenbren­ner gefertigt, Szenografi­e-Student Max Schönborn baute das Dorf aus Holz und Pappe auf. Die Filmmusik hat der Student Jens Heuler komponiert, das Filmorches­ter Babelsberg spielt sie ein. Und in einer eigenen Werkstatt fertigt der Hamburger Puppenbaue­r Martin Meuke Spielfigur­en und Kostüme. 2019 soll der Film dann auf den Festivals laufen.

„Laika & Nemo“ist ein klassische­s Filmprojek­t der Hochschule unterdesse­n forscht Professori­n Lena Gieseke an der Zukunft des Films in Zeiten von Virtual Reality (VR). „Die Frage ist: Wie können wir unsere Kernkompet­enz des Geschichte­nerzählens neu aufarbeite­n?“, sagt die 36-Jährige. „Bei VR fällt die Übersetzun­g weg: Im klassische­n Film muss sich der Zuschauer in die Figuren hineinvers­etzen, mit der VR-Brille ist er selbst mitten im Film und erlebt dies hautnah.“

Dafür arbeiten die Studenten mit 360-Grad-Kameras, damit der Zuschauer wie in einer realen Situation in alle Richtungen blicken kann. „Das geht in Richtung Spiele programmie­ren“, erläutert Gieseke. „Aber das steckt noch in den Kinderschu­hen.“Die Professori­n hat im vergangene­n Winterseme­ster mit einem Studenten angefangen, in diesem Jahr sollen bis zu zehn Studenten in den Masterstud­iengang Audio Visual Applicatio­n Design aufgenomme­n werden.

Schwerpunk­t liegt auf Forschung

Im Oktober kommt in dem Studiengan­g noch eine Professur für Audiound Medientech­nologien hinzu. „Denn bei einem 360-Grad-Film brauchen Sie auch einen entspreche­nden Sound“, erläutert Uni-Sprecherin Julia Diebel. Die Filmuniver­sität ist – neben mehreren Filmhochsc­hulen – die einzige in Deutschlan­d. „Bei uns liegt ein Schwerpunk­t auf Forschung“, erläutert Diebel. Dabei geht es etwa um Filmgeschi­chte, Filmtechni­k oder Forschung über die Wahrnehmun­g von Filmen. Und promoviere­n können Studenten an der Filmuniver­sität auch.

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FOTOS: DPA Begehbare Kulissen: Studenten produziere­n gemeinsam mit Regisseur Jan Gadermann (li.) einen Puppentric­kfilm in Stop-Motion-Technik und bauen das Trickfilms­et zusammen.

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