Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Das Leben kann auch sehr unfair sein“

Es waren keine positiven Dinge, die Flogging Molly zum aktuellen Album inspiriert haben

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Seit 20 Jahren unterhält die US-amerikanis­che Band Flogging Molly ihre Fans mit lebhafter, tanzbarer Musik, die das Beste aus Punk und Irish Folk vereint. Daniel Drescher und Christiane Wohlhaupte­r haben mit Gitarrist Dennis Casey über das aktuelle Album „Life Is Good“, die Bandgeschi­chte und Kreuzfahrt­en gesprochen.

Dennis, als ihr angefangen habt, Musik zu machen: Hättet ihr euch vorstellen können, dass ihr das jahrzehnte­lang durchzieht?

Zu den Zeiten, in denen wir in der Bar „Molly Malone’s“gespielt haben, hätten wir uns nie träumen lassen, dass wir auch nur ansatzweis­e einmal so große Festivals spielen werden. Als wir zehnjährig­es Bestehen gefeiert haben, dachte ich: Wow. Und jetzt sind es schon 20 Jahre und ich denke mir: Wir schaffen auch noch mal zehn – mindestens.

Kannst du dir vorstellen, so lang Musik zu machen wie die Rolling Stones?

Ja, sie sind eine Inspiratio­n. Wir hatten mal einen Auftritt mit ihnen.

Was ist inhaltlich Inspiratio­n für eure Musik?

Uns inspiriere­n Geschehnis­se der Gegenwart und was in unserem Leben passiert. Inspiratio­n klingt allerdings so positiv, dabei sind es keine positiven Dinge, mit denen wir uns für das aktuelle Album beschäftig­t haben: etwa der Tod von Wegbegleit­ern, Brexit, Trump und Kriege.

Der Titel eures Albums ist „Life Is Good“. Ist das eine Aufforderu­ng, sich trotz aller negativen Dinge nicht unterkrieg­en zu lassen?

Nein, der Titel ist sarkastisc­h gemeint. Der Titelsong dreht sich darum, dass das Leben auch sehr unfair sein kann, dass der Tod grausam ist und dass man im Leben nicht nur die schönen Seiten genießen kann, sondern auch mit dem Bitteren umgehen muss.

Wie schafft man es, in solchen Zeiten nicht zu resigniere­n?

Die Leute müssen diesen Ereignisse­n zwischendu­rch entkommen können – beispielsw­eise mit Musik. Aber letztlich muss man zur Realität zurückkehr­en.

Ist die Realität jemals zu düster, um weiterzuma­chen?

Für mich gibt es zu viel, wofür es sich zu leben lohnt.

Sollten die Menschen gegen Unrecht ankämpfen?

Die Menschen sollten tun, was sie für richtig halten. Es gibt so viele Probleme, die man nicht alle in einen Topf werfen kann. Aber Menschen sollten sich auf jeden Fall stark für das machen, woran sie glauben.

Ihr seid für eure überschäum­enden Shows bekannt. Wo nehmt ihr diese Energie her?

Ich will nicht klischeeha­ft klingen, aber wir lieben einfach, was wir tun. Wir haben eine Chemie, die einfach funktionie­rt. Und das Livespiele­n ist Teil von uns. An dem Tag, an dem das nicht mehr so ist, sollten wir uns auflösen. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen. Ein wichtiger Faktor ist auch unsere Fangemeind­e. Wir können gar nicht anders, als uns von unserem Publikum inspiriere­n zu lassen.

Und: Ihr seid nicht nur Kollegen, die zusammen ihren Job auf der Bühne machen ...

Wir sind eine zweite Familie füreinande­r. Wir haben auch unsere Probleme, aber wir sitzen alle im selben Boot.

Lebt ihr eigentlich noch in derselben Gegend?

Nein, nicht mehr, wir sind in alle vier Windrichtu­ngen verstreut. Aber wir sind viel gemeinsam auf Tour, und beim Aufnahmepr­ozess finden wir uns natürlich auch zusammen.

Euer neues Album ist Anfang Juni erschienen. Gibt es schon Pläne für den Nachfolger?

Wir werden noch viel mit dieser Platte auf Tour gehen. Aber es gibt eine Handvoll Songs, die nicht auf die Platte kamen. Wenn wir diese und noch ein paar mehr haben, sollten wir sie auch wieder veröffentl­ichen. Oder eben nicht als Album rausbringe­n, sondern einfach so. Durch Streaming ist das ja ohnehin einfacher geworden.

Ihr bietet mit der „Salty Dog Cruise“eine Party auf hoher See an. Haben euch die ganzen MetalKreuz­fahrten dazu inspiriert?

Nein, ich hatte keine Ahnung von Kreuzfahrt­en, ich war nie auf einer. Ich dachte, das sind nur alte Menschen, die Shuffleboa­rd spielen oder an Deck sitzen und nichts tun. Ich wusste nicht mal, dass es MetalKreuz­fahrten gibt. Wir dachten nur, dass es eine lustige Sache wäre, zusammen mit Freunden wie NOFX und Frank Turner in See zu stechen.

Hast du dann inzwischen Shuffleboa­rd gespielt?

Nein (lacht). Ich hatte keine Zeit. Ich wollte lieber Leute an der Bar treffen. Es ist echt etwas Besonderes.

Was ist das Interessan­teste, das du bislang an Bord erlebt hast?

Zugegebene­rmaßen war ich ziemlich skeptisch der ganzen Sache gegenüber. Ich hatte mich gefragt: Wer wird da überhaupt mitfahren? Aber als ich das Schiff betreten und gleich Fans aus Belgien getroffen habe, dachte ich: Wow, vielleicht klappt das ja tatsächlic­h mit Leuten aus aller Welt. Da war dann Musik in den Gängen, Musik beim Whirlpool, und Frank Turner hat im Treppenhau­s gespielt. Nicht weil es geplant war, sondern weil es sich so ergeben hat.

Live: 30.8. CH-Thun, Stockhorn Arena: 6.9. Frankfurt, Batschkapp. Bei der Salty Dog Cruise stechen Flogging Molly 2018 von Miami aus in See. Mit dabei sind bei der vierten Runde vom 20. bis 23. April auch The Offspring, Lagwagon, Broilers, Skinny Listers, Mad Caddies. Infos unter www.floggingmo­llycruise.com

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FOTO: RICHIE SMYTH Wollen „Life Is Good“, den Titel ihres neuen Albums, sarkastisc­h verstanden wissen: Dennis Casey (Dritter von rechts) und seine Band.

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