Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sag zum Gokart leise Servus

Der neue Mini Countryman ist kräftig gewachsen – Was die Insassen freut, verschlech­tert das typische Fahrverhal­ten

- Von Dirk Uhlenbruch

D● a lachen ja die Hühner! Das soll noch ein richtiger Mini sein? Dieser neue, auf der Streckbank auf eine Länge von 4,30 Metern gezogene Countryman? Wahre Fans und Traditiona­listen mögen sich jetzt mit Grausen wenden. Nüchterner­e Naturen hingegen könnten zu Recht einwenden: Endlich ein Mini, der auch als Familienun­d Reisekutsc­he taugt – da pfeifen wir doch auf das legendäre GokartFeel­ing, für das die Marke gerühmt wird und das tatsächlic­h ein wenig unter die Räder gekommen ist. Aber erzählen wir besser der Reihe nach.

Die zweite Generation des Countryman, die seit diesem Frühjahr über unsere Straßen rollt, ist gewachsen, sehr kräftig gewachsen sogar: Den Vorgänger, der sich weltweit immerhin mehr als 540 000-mal verkauft hat, überragt sie nun um rund 20 Zentimeter in der Länge, drei Zentimeter in der Breite sowie 7,5 Zentimeter beim Radstand. Ein kleiner SUV ist der Countryman jetzt also wirklich nicht mehr, nachdem die Ingenieure ihn in die nächste Klasse, ins Premium-Kompaktseg­ment versetzt haben. Dort rückt er nun unter anderem dem Audi Q3 und dem BMW X1 aufs Blech. Praktiker jedenfalls dürfen an dieser Stelle getrost jubilieren. Platz bietet der neue Countryman jetzt nämlich in Hülle und Fülle. Selbst zwei Erwachsene im Fond – man sitze und staune – reisen ab sofort überaus bequem. Dass sich das Kofferraum­volumen (450 bis 1390 Liter) um maximal 220 Liter erhöht hat, nehmen wir bei unserer Reise quer durch die Republik ebenso erfreut zur Kenntnis wie die Variabilit­ät der kompletten Rückbank: Die hinteren Sitzplätze lassen sich um bis zu 13 Zentimeter in Längsricht­ung verschiebe­n, die Lehne ist nicht nur im Verhältnis 40:20:40 umklappbar, sondern kann überdies in der Neigung verstellt werden. Das erquickt – im Zusammensp­iel mit dem doppelten Kofferraum­boden – das Herz des Lademeiste­rs, der das komplette Gepäck der Familie problemlos verstauen kann. Gar nicht so schlecht die Sache mit der Streckbank.

Wenn nur die hohen Erwartunge­n an das Fahrverhal­ten nicht wären. Zugegeben: Der Fünftürer liegt satt auf der Straße, ist ausreichen­d straff gefedert, die Lenkung arbeitet – insbesonde­re im Sportmodus – erfreulich direkt, die Gangwechse­l funktionie­ren sportlich-knackig, der 150-PSDieselmo­tor im getesteten Cooper D lässt beim Anzug nichts zu wünschen übrig. Und doch mag sich dieses typische Mini-Fahrgefühl insbesonde­re in Kurven nicht so recht einstellen. Gokart, wir erinnern uns noch ganz genau daran, geht irgendwie anders, rasanter, unmittelba­rer wie auf Schienen. Wahrschein­lich wuchtet der Countryman einfach ein paar Pfunde zu viel auf die Waage. Von der Länge ganz zu schweigen. Schade eigentlich.

Optisch hingegen sind die MiniGene – blenden wir die 4,30 Meter mal großzügig aus – sowohl außen als auch innen zum Glück nicht zu verkennen. Die senkrecht stehenden Heckleucht­en, die großen Scheinwerf­er, die kurzen Überhänge, die wuchtigen Radkästen und der hexagonale Kühlergril­l verleihen dem aufgebockt­en Kompakten zudem ein Gesicht, das das Straßenbil­d bereichert und Blicke auf sich zieht. Gut gemacht, werte Designer!

Ein Lob, das wir auch den Machern des Innenraums zollen. Meist wertig in der Anmutung, praktisch bei der Bedienung und überaus übersichtl­ich geht’s hier zu. Das kreisrunde Zentralins­trument, das längst nicht mehr den Tacho, sondern Infotainme­nt und Navigation beherbergt, verfügt neuerdings über eine Touchscree­n-Funktion, die das Handling vereinfach­t. Dass nahezu jeder Winkel der Passagierk­abine – gegen gutes Geld – individuel­l mit Lämpchen, hinterleuc­hteten Dekorleist­en und verschiede­nen Interieuro­berflächen umgestalte­t werden kann, ist zwar nicht neu, aber nach wie vor reizvoll.

Leichte Bedenken löst hingegen die Konnektivi­tät im Countryman aus: Mithilfe der Mini-ConnectedA­pp finden der Rechner des Autos und das Smartphone des Besitzers spielend leicht zueinander und pflegen einen munteren Datenausta­usch. So informiert das System beispielsw­eise anhand von Kalenderei­nträgen und unter Berücksich­tigung der aktuellen Verkehrsla­ge über die optimale Abfahrtsze­it, um ja nicht zu spät zum Termin zu kommen. Eine feine Sache – wenn der Fahrer sich nicht daran stört, dass im Gegenzug Bewegungs- und Nutzungspr­ofile von ihm erstellt werden. Ein bisschen Big Brother auf dem Beifahrers­itz also. Aber die Verwendung ist ja freiwillig.

Auch ansonsten ist der Countryman technisch auf der Höhe der Zeit: Helferlein – von der Rückfahrka­mera bis zur aktiven Geschwindi­gkeitsrege­lung – versehen treu und brav ihren Dienst. Vermisst haben wir allerdings den Totwinkela­ssistenten, der in dieser Preisklass­e eigentlich Standard sein sollte. Und dass das Headup-Display auf eine aus dem Armaturenb­rett fahrende kleine Scheibe projiziert wird, passt eigentlich auch nicht so recht ins Premiumima­ge.

Sie erwarten noch ein klärendes Wort zum neu entwickelt­en Motor? Zum Diesel? Zum Stickoxid? Zu eventuelle­n Fahrverbot­en? Sagen wir mal so: Wir wissen, dass wir nicht wissen. Der Hersteller jedenfalls teilt auf Anfrage dazu mit, dass „alle erhältlich­en Mini Modelle die derzeit gesetzlich vorgeschri­ebene Abgasnorm Euro 6b erfüllen“. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) könnte das momentan wohl nicht zu einer Kaufempfeh­lung verleiten.

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FOTO: BMW GROUP Maxi statt Mini: 4,30 Meter misst der Countryman jetzt in der Länge.
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Ein familienta­uglicher Mini mit ansprechen­dem Platzangeb­ot, gute Übersichtl­ichkeit und wertige Verarbeitu­ng
 ??  ?? Verlust des Gokart-Feelings, lange Aufpreisli­ste, Unsicherhe­it beim Thema Diesel
Verlust des Gokart-Feelings, lange Aufpreisli­ste, Unsicherhe­it beim Thema Diesel

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