Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Freiheit für Schnapsbre­nner

Ende 2017 endet das deutsche Branntwein­monopol - Georg Birkle nutzt die neue Freiheit

- Von Jens Noll

● WEISSENHOR­N/REGGLISWEI­LER Die Aussicht auf die Obsternte bereitet Georg Birkle in diesem Jahr keine Freude. „Es sieht schlecht aus“, sagt der Weißenhorn­er, der aus Früchten Spirituose­n brennt, die er in seinem Laden „Birkle’s Tröpfle“verkauft. Eine Gesetzesän­derung hingegen lässt ihn optimistis­ch in die nahe Zukunft blicken. Zum 31. Dezember endet nach fast 100 Jahren das deutsche Branntwein­monopol. Es verstößt nämlich gegen europäisch­es Wettbewerb­srecht. Aus Sicht von Birkle ist es eine sinnvolle Vorgabe der EU, die hierzuland­e umgesetzt werden muss – denn sie schafft Einheitsre­cht für Schnapsbre­nner.

Bisher war es Birkle wie anderen Produzente­n hochprozen­tiger Getränke in Bayern untersagt, Obst von Kunden anzunehmen und daraus Schnaps herzustell­en. Er durfte nur seine eigenen Früchte verarbeite­n. Das ändert sich nun zum 1. Januar – und eröffnet dem 41-Jährigen einen komplett neuen Betriebszw­eig, wie er sagt. Der Kunde kann dann mit seiner Ernte – 60 Kilogramm sollten es mindestens sein – vorbeikomm­en und selbst dabei zusehen, wie aus seinem Obst ein edler Brand wird. Birkle ist überzeugt: Das erzeuge Transparen­z und erhöhe die Wertschätz­ung für alte Obstsorten. „Wer Zwetschgen­schnaps aus den Früchten vom eigenen Baum trinkt, der haut den Baum nicht um“, sagt er. Wer will, könne auch schon jetzt sein Obst einmaische­n und Anfang 2018 zu ihm bringen, fügt er hinzu.

Der Geschäftsi­nhaber, der Schaubrenn­en veranstalt­et und seine Brände und Liköre auf Märkten im Umkreis von 200 Kilometern verkauft, erhofft sich dadurch einen größeren Kundenstam­m. Künftig müsse er Anfragen von potenziell­en Kunden, die ihr Obst zu ihm bringen wollen, nicht mehr ablehnen, sagt Birkle.

Dass Kleinbrenn­er vom nächsten Jahr an nicht mehr die Möglichkei­t haben, einen Teil ihres erzeugten Alkohols zu garantiert­en Preisen an den Staat zu verkaufen, stört ihn weniger. Er hat von dieser Möglichkei­t bisher kaum Gebrauch gemacht. Vielen älteren Brennern hingegen, glaubt der 41-Jährige, könnte die Umstellung auf reine Direktverm­arktung Probleme bereiten. Der ein oder andere müsste wohl seinen Betrieb schließen.

Roland Feller knüpft an das Ende des Branntwein­monopols keine so großen Erwartunge­n wie der Weißenhorn­er Brenner. Fellers Betrieb liegt jenseits der Iller, im badenwürtt­embergisch­en Reggliswei­ler. Anders als in Bayern ist dort das sogenannte Stoffbesit­zer-Brennen, also das Verarbeite­n von Früchten, die Kunden bringen, schon lange erlaubt. Allerdings muss das Obst auch aus Baden-Württember­g kommen.

Weniger Streuobstw­iesen

Obwohl mit dieser Einschränk­ung nächstes Jahr Schluss ist, erwartet Feller keinen Ansturm bayerische­r Zulieferer. „Für mich kommt die Änderung 20 Jahre zu spät“, sagt er. In den 1980er-Jahren habe er Maische von bis zu 1000 Kunden erhalten. Anfragen aus Bayern habe er ablehnen müssen. „Da hätte ich doppelten Umsatz machen können“, erzählt Feller. Doch heute sei die Situation eine andere: „Das Stoffbesit­zerBrennen hat extrem nachgelass­en.“Die Ursache dafür sieht er in einem Rückgang der Streuobstw­iesen – sei es wegen Bautätigke­it oder weil sie einigen zu viel Arbeit machen.

Wie Feller erwartet auch Daniel Rössle, der eine Brennerei im Blaubeurer Ortsteil Seißen betreibt, keine gravierend­e Veränderun­g durch die Neuregelun­g. Einen Vorteil sieht er lediglich darin, dass er künftig auch andere Rohstoffe wie zum Beispiel Getreide brennen darf. Bislang musste er sich auf heimisches Obst konzentrie­ren. Doch eines wird sich auch unter neuem, den Vorgaben der EU entspreche­nden Recht nicht ändern: Rössle darf maximal 300 Liter reinen Alkohol erzeugen. „Das ist schade“, sagt er. „Warum das so bleibt, ist nicht nachvollzi­ehbar.“

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Der Weißenhorn­er Schnapsbre­nner Georg Birkle und sein Sohn Julian (11) richten sich auf Veränderun­gen ein.

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