Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wer den Pfennig ehrt

Wo man in der Region noch mit der alten Währung bezahlen kann

- Von Dorina Pascher

ULM/NEU-ULM

- Heidi Völzke kramt in ihrem Geldbeutel. „Da sind sie“, sagt die Betreiberi­n das Café D’Art in Neu-Ulm – und zeigt zwei mit leichter Patina überzogene Zehn-PfennigMün­zen. „Die fühlen sich so gut an in der Hand.“Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb Besucher im Café an der Blumenstra­ße noch mit D-Mark bezahlen können. Für die Inhaberin des Cafés ist die Sache einfach: „Weil ich die D-Mark liebe und damit aufgewachs­en bin“, sagt die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren.

Knapp 53 Jahre lang, vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 2001, war die Deutsche Mark das offizielle Zahlungsmi­ttel. Mit der Einführung des Euro verlor aber die D-Mark nicht an ihrem Wert. Anders als beim täglich variierend­en Wechselkur­s von Dollar oder Pfund ist der Umtausch an einen festen Faktor gekoppelt. 1,95583 DM sind ein Euro. „Das gilt zeitlich unbegrenzt“, sagt Bernhard Heid von der Bundesbank­filiale in Ulm. Selbst wenn jemand noch in zehn oder zwanzig Jahren Scheine und Münzen der alten Währung findet, kann er das Geld noch wechseln. Zehn bis 20 Kunden kommen täglich in die Ulmer Filiale der Bundeszent­ralbank, um D-Mark gegen Euro zu tauschen. Oftmals finden Erben das Geld, wenn sie Häuser oder Wohnungen ausräumen. Bei den Verstecken für das Geld wurde der eine oder andere auch mal kreativ, wie Heid erzählt: „Es sind schon Scheine im Ofen gefunden worden. Wenn der Junior den Ofen angemacht hätte, dann wäre das Geld in Rauch aufgegange­n.“

Zur Bundesbank ist Panagiotis Konstantin­idis noch nicht gegangen – zumindest nicht, um D-Mark umzutausch­en. Der Grieche ist Inhaber des Eiscafé da Venezia am Neu-Ulmer Petrusplat­z. Bei ihm kann man noch mit der alten Währung Kaffee, Eis oder Kuchen kaufen. Das ist seit der Einführung des Euros möglich. Innerhalb dieser fast 16 Jahre hat Konstantin­idis das Geld nie umgetausch­t. Seine Begründung: „Ich bin ein leidenscha­ftlicher Sammler.“Der Eismacher trauert der Deutschen Mark hinterher. „Der Euro ist ein Teuro“, sagt er. „Auch heute noch rechne ich Preise in D-Mark um.“Als er Anfang der 1990er Jahre angefangen hat, Eis zu verkaufen, kostete die Kugel maximal 50 Pfennig. Heute sind es 1,20 Euro. „Das sind 2,40 Mark. Wenn man die Preise vergleicht, könnte man durchdrehe­n“, sagt der Neu-Ulmer Eiscafé-Besitzer.

Immer noch sind viele D-MarkSchein­e und -Münzen im Umlauf. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank waren es Ende Juli dieses Jahres 5,95 Milliarden DM in Scheinen und 6,72 Milliarden DM in Münzen. Sie sind versteckt in alten Manteltasc­hen, der Schatulle, welche die Großmutter vererbt hat oder es sind Erinnerung­sstücke, die man im Geldbeutel mitträgt. Doch der größte Teil befindet sich gar nicht in Deutschlan­d. „Viel Geld ist noch im Ausland“, sagt Heid von der Bundesbank in Ulm. Der überwiegen­de Teil der noch ausstehend­en Scheine und Münzen wird bei Touristen und Sammlern vermutet. Weitere Restbestän­de dürfte es auch in den verschiede­nen Ländern im Balkan geben. In den 1960er-Jahren brachten Gastarbeit­er die Deutsche Mark in ihre Heimat. Somit wurde die DMark dort eine Parallelwä­hrung.

Sammler, Touristen und alle anderen, die noch D-Mark-Bestände finden, können auch in den Tabakladen von Edith Sehr kommen. In dem Geschäft an der Ulmer Hafengasse wird die Deutsche Mark eins zu zwei umgetausch­t. „Meist sind es Leute, die sich für 20 Mark zwei Zigaretten­schachteln nehmen“, sagt Sehr. Im Schnitt kommen zehn Kunden im Jahr, die noch mit der Deutschen Mark zahlen. Aber diese werden jedes Jahr weniger. Eigentlich war die Idee nur eine Werbemaßna­hme: „Ich wollte, dass die Leute sagen, da schau her, da kann man noch mit D-Mark zahlen“, sagt die Verkäuferi­n und deutet auf ein Schild in der Auslage. Dort steht: „Sie können hier im Tabak-Lädle mit der guten, alten DMark ihren Einkauf bezahlen!!“.

Für Sehr gehört die Bezahlung mit der Mark zum Konzept ihres Geschäfts, das sich seit mehr als 60 Jahren in der Ulmer Altstadt befindet. „Die Leute sind auf der Suche nach Nostalgie“, ist die Inhaberin des Geschäfts überzeugt. Daher gibt es statt „Coffee to go“Kaffee zum Mitnehmen und für die Kinder hält Sehr immer ein paar Bonbons hinter der Theke bereit. Wann der als Werbegag gedachte Einkauf mit D-Mark vorbei ist? „Ich lass das so“, versichert die Ulmerin.

Auch die Kunden des Eiscafé da Venezia und des Café D’Art können weiterhin mit der alten Währung bezahlen. Völzke, Inhaberin des Café D’Art sagt: „Die Aktion bleibt – die nehm ich mit ins Grab.“

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FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA Noch immer sind Milliarden der alten Währung im Umlauf.

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