Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Versaut der Dünger das Grundwasse­r?

Wenn auf den Äckern Gülle ausgebrach­t wird, sickert auch Nitrat in den Boden

- Von Carolin Oefner

NEU-ULM - Wasser aus der Leitung kann man in Deutschlan­d ohne Bedenken trinken. Damit das auch so bleibt, muss die Qualität regelmäßig überprüft – und bei Unstimmigk­eiten rechtzeiti­g gehandelt werden. Versorgung­sunternehm­en bereiten Wasser aus Flüssen und dem Untergrund so auf, dass es als sauberes Trinkwasse­r aus dem Hahn fließt.

Doch das kann nicht mehr lange funktionie­ren, glaubt man Vertretern des Bundesverb­ands der Energieund Wasserwirt­schaft (BDEW). Er hat eine Petition gestartet, die einen Dünge-Stopp in belasteten Gebieten fordert. Wegen der hohen Nitratwert­e gebe es Schwierigk­eiten, das Wasser aufzuberei­ten. Den Grund hat der Verband schnell ausgemacht: zu viel Gülle auf den Feldern – und zwar in weiten Teilen Deutschlan­ds. Die Folge laut BDEW: steigende Kosten für die Verbrauche­r. Darüber hat eine große Tageszeitu­ng jüngst berichtet – und den Landkreis Neu-Ulm dabei in einer Grafik als Gebiet mit einem Nitratante­il weit über dem Grenzwert kennzeichn­et.

Ist diese Aufregung berechtigt? Stephanie Kurz vom öffentlich­en Gesundheit­sdienst des Landkreise­s Neu-Ulm verneint das vehement. Sie versteht die ganze Aufregung nicht. „Im Landkreis ist Nitrat überhaupt kein Thema“, sagt die stellvertr­etende Leiterin des Gesundheit­sdiensts. Nach der gesetzlich vorgegeben­en Trinkwasse­rverordnun­g kontrollie­rt die Behörde das Wasser regelmäßig auf viele Schadstoff­e. Die meisten Bürger werden demnach von 24 großen Anlagen im Kreis mit Wasser versorgt – bei denen es keine Auffälligk­eit gab. Unter insgesamt 117 kleineren Anlagen traten zwei erhöhte Werte zutage. „Das sind also absolute Ausnahmefä­lle“, sagt Kurz. Und fasst zusammen: „Wir können diese Besorgnis nicht teilen.“

Auch beim Wasservers­orger Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) hält sich die Aufregung in Grenzen. Im Stadtgebie­t Ulm und Neu-Ulm „bleibt der Nitratgeha­lt deutlich unter dem Grenzwert“, sagt Sprecher Bernd Jünke. Der Wert sei seit Jahren ungefähr gleich geblieben. „Wir haben keine Probleme.“

Das bestätigt Gerhard Wieser vom Fachbereic­h Wasserrech­t am Landratsam­t. Im Illertal sei der Nitratgeha­lt weitgehend unter 20 Milligramm pro Liter. Der offizielle Grenzwert liegt bei 50 Milligramm. Die guten Zahlen gebe es dort wegen der vielen Wasserschu­tzgebiete, etwa dem Auwald, die nicht gedüngt werden. Außerdem laufe durch Iller und Donau ohnehin viel Wasser durch diese Gegend.

Ein wenig ernster sieht die Lage im östlichen Teil des Landkreise­s aus, etwa in Roggenburg. Auch da liegen die Werte unter dem Grenzwert, nähern sich diesem jedoch. „Wir sind dabei, die Ursachen zu erforschen“, sagt Wieser. Um wieder einen „Sicherheit­sabstand“herzustell­en, wie Wieser es nennt, könnte ein größeres Wasserschu­tzgebiet gebildet werden. In dessen Kernzone dürfte dann nicht mit Gülle gedüngt werden.

Eine Ursache könnte auch bei den Brunnen liegen. Diese bestehen aus einem Rohr, das tief in die Erde geht. Auf Höhe des Grundwasse­rs hat es seitliche Schlitze, damit das Wasser über das Rohr nach oben gepumpt werden kann. Manchmal, so Wieser, läuft jedoch Regenwasse­r gemischt mit Gülle direkt außen am Rohr hinunter Richtung Grundwasse­r. Deswegen ist die Fläche rund ums Rohr eigentlich abgedichte­t, doch da könnte es auch mal passieren, dass ein Loch drin ist.

Im Landkreis seien die Bedingunge­n jedoch generell gut. Der Boden biete geeignete geologisch­e Strukturen. Das heißt, er wirkt wie ein Filter für die Gülle. Das Nitrat sickert also nur langsam durch die Schichten und kommt entspreche­nd gering im Grundwasse­r an. Anders sei das etwa in Franken, wo die Gülle sofort durch die Böden dringe. Oder in Niedersach­sen, wo durch die verbreitet­e Massentier­haltung entspreche­nde Gülle-Mengen anfallen.

Doch es sind nicht alleine die natürliche­n Pluspunkte, die den Landkreis so dastehen lassen. „Die Landwirte sind sich bewusst, dass das Wasser sauber sein muss“, sagt Andreas Wöhrle, Neu-Ulmer Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands. Der Pfaffenhof­er Landwirt erklärt, dass man versuche, so wenig wie möglich zu düngen. Die Bauern nutzen andere Methoden: Sie wechseln die Bepflanzun­g auf den Äckern, etwa von Wintergers­te auf Zwischenfr­ucht. So brauche der Boden weniger Dünger. Wenn der Untergrund bewurzelt sei, werde die Gülle außerdem weniger weggeschwe­mmt. In solchen Fällen landen die Stoffe sonst schnell direkt in einem Fluss – und nicht im filterfähi­gen Boden. „Wir düngen gezielt“, sagt Wöhrle. Denn zu viel sei nicht nur schlecht für die Natur, sondern auch teuer. In den Wasserschu­tzgebieten werden zudem jährlich Proben gezogen, so könne man im Bedarfsfal­l schnell reagieren.

Jeder kann übrigens selbst nachsehen, wie es um die Nitrat-Belastung aussieht. Die meisten Gemeinden veröffentl­ichen die Trinkwasse­rwerte. Das Wasserwirt­schaftsamt in Donauwörth empfiehlt zudem den Umweltatla­s Bayern. Dort sind etwa gemessene Daten zum Boden und zu Gewässern hinterlegt.

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FOTO: DPA Ohne Bedenken kann man Wasser aus dem Hahn trinken.

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