Risiko unbemanntes Flugobjekt
Immer mehr Privatpersonen besitzen eine Drohne – In Salem kann man dafür einen Führerschein machen
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SALEM - Die kleinen Rotorblätter beginnen sich zu drehen. Immer schneller rotieren sie, das Surren wird lauter, bis die Drohne schließlich abhebt. Ganz vorsichtig nur darf man die Hebel bedienen. Nach oben für Gasgeben, nach unten für Bremsen. Links und rechts funktioniert intuitiv – doch ohne Übung ist es schwer, das rund zwei Kilogramm schwere Gerät gerade und ruhig in der Luft zu halten. Bei der kleinsten Berührung reagiert das Flugobjekt. Zu schnell steigt die Drohne, zu scharf nimmt sie eine Linkskurve. „Also, mit dem Führerschein wäre es bei Ihnen heute nichts geworden“, sagt Uwe Nortmann, Geschäftsführer des Verbandes für Unbemannte Luftfahrt (UAV).
Bei ihm kann man den sogenannten Kenntnisnachweis für das Steuern von unbemannten Fluggeräten (UAS) ablegen, den umgangssprachlichen Drohnenführerschein. Nortmann leitet in Salem die Bundeszentrale des Verbandes „UAV Dach“für diese Kenntnisnachweise. Zurzeit beschäftigen ihn und seine Mitarbeiter vermehrt Drohnen in 45 Städten deutschlandweit. Denn rund eine Million der kleinen Fluggeräte, gesteuert von Privatpersonen, schwirren momentan in Deutschland durch die Luft, schätzt Nortmann. Im Jahr 2016 sei sein Verband noch von 400 000 Drohnen ausgegangen. „Die Drohne boomt, auch weil sie immer erschwinglicher wird“, erklärt Nortmann. Von der Minidrohne für unter 50 Euro bis zum Profimodell, mit dem man Spielfilme drehen kann, ist mittlerweile alles auf dem Markt erhältlich. Das mache den Kauf für eine breite Masse von Privatleuten attraktiv. „Die meisten sind neugierig, kaufen sich eine Drohne und überlegen dann erst, für was sie sie eigentlich verwenden wollen.“
Doch von dieser Entscheidung hängt auch ab, welche Regeln Drohnenbesitzer beachten müssen. Denn unbemannte Flugsysteme werden nach zwei Kriterien eingeteilt. Zum einen nach Masse: Laut Gesetz braucht zum Beispiel jeder Pilot einer über zwei Kilo schweren Drohne ab 1. Oktober 2017 einen Kenntnisnachweis, also den Führerschein. Zum anderen wird nach der Nutzungsart eingeteilt: Wer seine Drohne privat in der Freizeit und beim Modellflug fliegt, braucht nur eine Einweisung um einen Führerschein zu erhalten, also keine Prüfung.
Wer die Drohne aber nicht in der Freizeit, sondern gewerblich nutzt, braucht die Prüfung für den Drohnenführerschein und kann sich an den Verband „UAV Dach“von Uwe Nortmann wenden. Er bildet vor allem Mitarbeiter von Firmen im Umgang mit Drohnen aus sowie die Prüfer, die den Drohnenführerschein deutschlandweit abnehmen dürfen. Die Prüfung in Salem ist der Abschluss eines Workshops über mehrere Tage. 60 Fragen in den Kategorien Luftrecht und Flugsicherung, Wetterkunde sowie Flugbetrieb und Navigation müssen die Prüflinge für den Erwerb eines Führerscheines beantworten. Jeweils 75 Prozent der Antworten eines Fachgebietes müssen korrekt sein, damit der Kenntnisnachweis ausgestellt werden kann. Nicht wenige fallen durch die Prüfung, erzählt Nortmann. „Schwer fällt vielen oft Wetterkunde oder Luftrecht. Manchmal sind es nur ein paar, es gab aber auch schon Gruppen, da ist knapp ein Drittel durchgefallen.“
Gefahr Ordnungswidrigkeit
Wer nicht mal beantworten kann, wo und wie hoch eine Drohne fliegen darf, der sollte sowieso keine benutzen, sagt der lizenzierte Pilot. Auch praktische Übungen gehören bei ihm zur Prüfung dazu, sind aber noch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Unter die Kategorie „gewerblich“fällt übrigens bereits, wer ein aufgenommenes Bild oder Video auf Internetplattformen wie Youtube stellt. „Das ist dann eine Veröffentlichung und keine rein private Nutzung mehr. Wer ohne einen erforderlichen Kenntnisnachweis Drohnenaufnahmen macht und veröffentlicht, begeht eine Ordnungswidrigkeit“, erklärt Nortmann.
Und diese Ordnungswidrigkeiten würden ganz normal zur Anzeige gebracht, so wie bei anderen Verstößen und Straftaten, erklärt Wolfgang Jürgens vom Polizeipräsidium Ulm. Wie oft es aber tatsächlich in den vergangenen Jahren zu Ordnungswidrigkeiten oder gar Unfällen mit Drohnen kam, dazu läge der Polizei keine Statistik vor. „Wenn die Polizei wegen solcher Drohnen verständigt wird, sind es im Regelfall Meldungen, dass jemand einen solchen Flugkörper gesehen hat. Oft lässt sich das durch die Polizeibeamten, die dann sofort zum Anzeigeerstatter fahren, nicht mehr verifizieren“, erklärt Jürgens. An einen konkreten Vorfall könne er sich aber erinnern: Mitte Juni prallte eine Drohne gegen den Ulmer Münsterturm. Sachschaden entstand nicht, verletzt wurde niemand. Der Eigentümer und mutmaßliche Pilot sei der Polizei bekannt und gegen ihn werde ermittelt.
Noch sei es nicht zur Katastrophe gekommen, noch sei kein bemanntes Flugzeug mit einer Drohne zusammengeprallt und abgestürzt, sagt auch Uwe Nortmann. „Aber das Risiko ist hoch. Die Leute benutzen quasi eine gefährliche Waffe und wissen meistens nicht, wie man richtig damit umgeht.“Besonders gefährlich seien die Lithium-Ionenbatterien, die in den Drohnen verbaut sind. Diese sind rund 500 Gramm schwer und könnten Cockpitscheiben durchschlagen.
Einen Zusammenprall zwischen einer Drohne und einem Hubschrauber fürchten auch die Piloten der ADAC Luftrettung. „Trotz ihrer geringen Masse können Drohnen durch ihre kinetische Energie einen Hubschrauber gefährden und im ungünstigsten Fall zum Absturz bringen“, erklärt ADAC-Sprecher Jochen Oesterle. „Wegen ihrer geringen Größe und der oftmals dezenten Farbgebung sind sie schlecht sichtbar, was ein Ausweichen in der Luft erschwert.“Die Piloten der ADAC Luftrettung sehen sich durch die steigende Zahl an Drohnen einem höherem Kollisionsrisiko ausgesetzt.
Gerade Drohnen-Anfängern sei oft nicht klar, wie gefährlich unbedarftes Fliegen mit einer Drohne sei: „Generell darf nur in Sichtweite geflogen werden. Das ist für die Sicherheit des Luftraums von großer Bedeutung. Denn ohne Sichtkontakt ist nicht zu erkennen, ob sich andere Fluggeräte in der Nähe befinden und somit ist ein Zusammenstoß nicht zu verhindern.“Ein Anti-Kollisionslicht würde die Sichtbarkeit deutlich erhöhen, meint Oesterle. Zudem empfiehlt er Drohnenbesitzern, eine spezielle Halterhaftpflichtversicherung abzuschließen. Die aktuellen gesetzlichen Regeln für Drohnenflüge gehen ihm noch nicht weit genug.
Das sagt auch Uwe Nortmann. Sein Verband für unbemannte Luftfahrt plädiert für den Drohnenführerschein für alle: Egal, wie schwer das Gerät ist oder für was es genutzt wird: „Den Gefahren kann man nur durch Ausbildung und Aufklärung entgegenwirken.“Doch Drohnen seien nicht nur Gefahrenquellen, sagt Nortmann, sondern auch nützliche Geräte, etwa für Architekten oder Fotografen.
So wie für Fotograf Marco Mehl aus Ravensburg. Für ihn habe der Einsatz von Drohnen ein enormes Spektrum an Kreativität und neuen Blickwinkeln ergeben. „Als freier Fotograf arbeite ich heute ebenfalls mit einer Drohne, diese ermöglicht auf einfache Art und Weise neue Perspektiven und außergewöhnliche Blickwinkel.“Nicht nur für Architekturund Industriefotografie setzt er Drohnen ein. Für mehrere Kunden fertigt er sogenannte orthofotografische Karten an. Diese ermöglichen eine exakte Vermessung und Digitalisierung von Daten in Echtzeit. Damit sind zum Beispiel 3-D-Darstellungen und exakte Volumenmessungen möglich. Das entstandene Bild besteht aus 450 Einzelbildern, diese werden durch ein spezielles Verfahren zu einem Bild zusammengesetzt und in einer Karte integriert. Eine völlig neue und faszinierende Aufgabe für den Fotografen.
Problembereich Datenschutz
Die Bedenken der Bevölkerung könne er aber durchaus verstehen. Gerade bei Drohnen, die Foto- und Videoaufnahmen machen können, sei der Datenschutz ein großes Thema. Mehl begrüßt die Neuregelungen, die nun für gewerbliche und private Drohnenpiloten gleichermaßen gelten und die seiner Meinung nach für deutlich mehr Sicherheit sorgen: „Ich hatte in der Vergangenheit schon ganz klare Auflagen und musste eine Aufstiegserlaubnis beantragen, die meine Flüge auch strikt reglementiert hat, während der private Anwender eigentlich machen konnte, was er wollte. Diese Auflagen gelten nun für alle.“
„Die meisten sind neugierig, kaufen sich eine Drohne und überlegen dann erst, für was sie sie eigentlich verwenden wollen.“Uwe Nortmann, Geschäftsführer des Verbandes für unbemannte Luftfahrt