Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lindner attackiert AfD und Grüne

Der FDP-Parteichef gibt sich beim Rennen um Platz drei kämpferisc­h

- Von Andreas Herholz

● BERLIN - Am Ende gibt es Umarmungen und Küsschen. Die Parteispit­zen auf der Bühne scharen sich um ihn, so als wolle ihm jeder möglichst nah sein, ein wenig Glanz abbekommen. Die Delegierte­n erheben sich , applaudier­en minutenlan­g – stehende Ovationen für Christian Lindner.

Gut 50 Minuten lang beschwört der FDP-Chef am Sonntag auf der Bühne eines Sonderpart­eitags in Berlin die Rückkehr der Liberalen in den Bundestag, formuliert Bedingunge­n für die Übernahme von Regierungs­verantwort­ung und sagt selbstbewu­sst den Kampf um Platz drei an. Regieren ja, aber nicht um jeden Preis, lautet seine Botschaft.

Die Liberalen würden sich nicht noch einmal verbiegen, die Fehler der schwarz-gelben Regierungs­koalition 2009 bis 2013 wiederhole­n. „Wir wollen nicht aus taktischen Gründen gewählt werden. Wir schließen nichts aus, nur eins, unsere Grundsätze zu verraten, das schließen wir aus“, beschwört Lindner die neue Eigenständ­igkeit der Liberalen.

FDP feiert ihren Hoffnungst­räger

Beim Parteikonv­ent im Berliner Hotel Estrel gestern keine Spur mehr von der liberalen Depression nach dem Ausscheide­n aus dem Bundestag nach der Wahl 2013. Stattdesse­n feiert die FDP sich und ihren Hoffnungst­räger, fiebert dem 24. September entgegen. Das Comeback vor Augen feiern die Delegierte­n einen Gute-Laune-Parteitag in Neukölln.

Damals, nach dem Debakel, erlebten die Freidemokr­aten noch einen Trauer-Parteitag in ihrer Stunde null. 45 Monate später herrschen im Saal an diesem Sonntagmor­gen Aufbruchst­immung und Zuversicht. „Das ist der letzte Bundespart­eitag in der außerparla­mentarisch­en Opposition, das motiviert uns“, ruft der FDP-Chef den jubelnden Delegierte­n zu. Die lange Zeit der Leiden, so das Signal, sei bald vorbei.

Das Rennen um Platz eins sei längst gelaufen, „jetzt geht es um das Rennen FDP – AfD“und das wolle die FDP für sich entscheide­n. Bei einer Neuauflage einer Großen Koalition müsse die FDP Opposition­sführerin werden. Die Grünen hätten keine Chance mehr, in dieses Rennen einzugreif­en, verweist der Liberale auf aktuelle Umfragen.

Lindner greift vor allem die AfD und die Grünen an, liefert sich ein Fernduell mit der Ökopartei, die nur ein paar Kilometer entfernt vom Tagungshot­el der Liberalen selbst auch einen Parteitag abhält. „Mögen die Grünen sich mit uns beschäftig­en, wir beschäftig­en uns mit politische­n Inhalten“, gibt der der FDP-Chef selbstbewu­sst, wirft der Ökopartei unfairen Wahlkampf und eine regelrecht­e Kampagne gegen seine Partei mit gefälschte­n Plakaten und persönlich­en Attacken gegen ihn („Diktatoren-Versteher“) vor. Er glaube nicht mehr an Schwarz-Gelb-Grün, zweifelt Lindner an einer Jamaika-Koalition, ohne sie jedoch kategorisc­h auszuschli­eßen. „Attacken sind dornige Chancen“, sagte Lindner in Abwandlung eines viel beachteten Spruchs von ihm aus seiner Schulzeit.

Deutlich heftigere Attacken gegen die AfD: Diese sei von „völkisch autoritäre­n Urteilen bestimmt“, so Lindner. Und Parteivize Wolfgang Kubicki wird noch klarer: „Es fängt mit der Verrohung der Sprache an, anschließe­nd kommt die Gewalt und daraus folgt Schlimmere­s. Wehren wir den Anfängen, deshalb kämpfen wir wie wild um den dritten Platz!“, ruft er und fordert: „Schicken wir die AfD in die Mottenkist­e der Geschichte zurück!“

Zehn Punkte für die Trendwende

Ob Europapoli­tik, Digitalisi­erung, Bildung, Energiepol­itik, Zuwanderun­g oder Wirtschaft und Finanzen – die FDP wolle klare Trendwende­n fordert Lindner und die Delegierte­n beschließe­n gleich zehn davon, mit denen man in mögliche Koalitions­bedingen gehen will.

Bei aller Aufbruchst­immung: Manch einer in der FDP-Spitze hält es für gefährlich, würden die Liberalen gleich wieder auf der Regierungs­bank Platz nehmen. Im Zweifel Opposition, heißt es. Dort könne man sich erst einmal wieder breiter aufstellen. Schließlic­h mangelt es der FDP auch am Personal für mögliche Regierungs­ämter. Parteichef Lindner, die personifiz­ierte Ein-MannShow, dominiert die Partei wie einst der frühere Parteichef Guido Westerwell­e. Die Personalde­cke ist extrem dünn, was im Falle einer möglichen Regierungs­beteiligun­g zu einem großen Problem werden könnte.

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FOTO: DPA Liberale Lichtgesta­lt: FDP-Chef Christian Lindner (2. v. re.) lässt sich feiern – auch von Parteivize Wolfgang Kubicki (3. v. re.) und dem baden-württember­gischen Spitzenkan­didaten Michael Theurer (links).

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