Erdogan wirft Deutschland erneut Terrorunterstützung vor
Nach einer Demonstration von Kurden in Köln üben türkische Politiker scharfe Kritik an der Bundesregierung
● ISTANBUL - Die Bundesrepublik hat sich in den Augen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und anderen türkischen Regierungspolitikern vom Freund zum Schurken gewandelt. Deutschland, einst ein enger Partner der Türkei, sei heute ein „Land, das dem Terrorismus hilft“, sagte Erdogan bereits vergangene Woche. Die Kundgebung von Anhängern der auch in Deutschland verbotenen kurdischen Terrororganisation PKK in Köln am Wochenende hat diesen Eindruck bei Erdogan verfestigt.
Seit Monaten werfen türkische Politiker der Bundesregierung wegen der Aufnahme von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen und regierungskritischen Journalisten aus der Türkei Terrorunterstützung vor. Erdogans Parteifreund Mustafa Yeneroglu veröffentlichte auf Twitter mehrere Bilder von der Kölner Demo, auf denen die – in Deutschland verbotenen – Embleme und Bilder der PKK zu sehen waren. Die Bundesrepublik mache sich bei ihrem Umgang mit der PKK lächerlich, meint Yeneroglu. Wenn deutsche Politiker wie Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) sagten, sie unternähmen alles, um PKK-Aktivitäten auf deutschem Boden zu unterbinden, sei das „wie ein Witz“.
Konfliktpotenzial bleibt
Anhänger der türkischen Regierung beklagen zudem, dass sich in Deutschland ein anti-türkisches Klima entwickelt hat. „Türken, die ihre Unterstützung für Erdogan aussprechen, werden in ihrem Alltag in Deutschland beleidigt, gemobbt und ausgegrenzt“, schrieb der Erdogannahe frühere Europaabgeordnete Ozan Ceyhun kürzlich in der Zeitung „Daily Sabah Deutsch“. Auch nach der Bundestagswahl am kommenden Sonntag wird das so weitergehen, erwartet Ankara. „Uns interessiert nicht besonders, ob jetzt dieser oder jener die Wahl gewinnt“, sagte Erdogan. Die regierungsnahe Presse in seinem Land hat sich besonders auf Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) eingeschossen, doch auch über den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist in Ankara nichts Positives mehr zu hören.
Merkel und Schulz haben im Wahlkampf wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger in der Türkei eine härtere Gangart gegenüber der Erdogan-Regierung angekündigt. Politisches Gewicht hat insbesondere die Ankündigung der Kanzlerin, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei einzuschränken. Wenn Deutschland zum Beispiel staatliche Kreditgarantien für Türkeigeschäfte reduziert oder ganz einstellt, könnte das die Türkei schwer treffen. Der geplante Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei soll auf deutschen Wunsch hin gestoppt werden.
Für Erdogan bildet diese Haltung Berlins ein potenziell großes innenpolitisches Risiko. Sein Erfolg als Politiker basiert nicht zuletzt auf dem Aufschwung, den die Türkei in den letzten anderthalb Jahrzehnten unter seiner Führung erlebt hat. Eine Flucht ausländischer Investoren oder ein Rückgang im Austausch mit dem größten Handelspartner Deutschland zwei Jahre vor der türkischen Präsidentenwahl im Jahr 2019 könnten den Staatschef in die Bredouille bringen.