Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Internetri­esen sollen mehr Steuern zahlen

Gruppe von EU-Ländern fordert Abgaben nach Umsatz und nicht mehr nach Gewinn

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TALLINN (AFP) - Milliarden­umsätze mit Apps, Musik und Videos und kaum Steuerzahl­ungen in Europa: Eine Gruppe von EU-Ländern um Deutschlan­d und Frankreich will das schnell ändern und Internet-Riesen wie Google, Facebook, Apple oder Amazon künftig nach Umsatz und nicht mehr nach Gewinn besteuern. Beim EU-Finanzmini­stertreffe­n am Samstag in Estland unterstütz­ten mindestens zehn Länder den Vorstoß, andere zeigten sich aber skeptisch. Entscheide­n wollen die Minister im Dezember.

Die Besteuerun­g der InternetWi­rtschaft sei „eine Frage der Gerechtigk­eit“, sagte Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire zu dem gemeinsame­n Vorstoß mit Deutschlan­d, Spanien und Italien. Es könne nicht zugelassen werden, dass die „Riesen der Digitalwir­tschaft“mit europäisch­en Daten wirtschaft­lichen Mehrwert erzeugten, „ohne dafür Steuern zu zahlen“.

Internet-Unternehme­n müssten wie Firmen der Realwirtsc­haft ihren „fairen Anteil zur Finanzieru­ng der öffentlich­en Haushalte leisten“, sagte Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Auch wenn eine über Europa hinausgehe­nde Vereinbaru­ng in der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) besser wäre, sei in der globalisie­rten Welt „eine zweitbeste Lösung (...) im Zweifel besser als gar keine Lösung für eine lange Zeit“.

Bislang zehn Länder

Die vier großen EU-Länder wollen durch die sogenannte Ausgleichs­steuer auf den Umsatz verhindern, dass Internet-Konzerne ihre Gewinne in Europa kleinrechn­en oder in Niedrigste­uerländer verschiebe­n und der Fiskus weitgehend leer ausgeht. Den Vorschlag haben nach AFP-Informatio­nen mittlerwei­le sechs weitere EU-Länder unterzeich­net: Bulgarien, Griechenla­nd, Österreich, Portugal, Rumänien und Slowenien.

Estlands Finanzmini­ster Toomas Toniste, dessen Land derzeit den EUVorsitz innehat, sah grundsätzl­iche Unterstütz­ung für das schnelle Vorgehen in Europa sogar bei „mehr als der Hälfte der Mitgliedss­taaten“. Gleichzeit­ig seien aber alle Länder auch für eine langfristi­ge Lösung im Rahmen der OECD.

Die Organisati­on, der auch die USA angehören, ist bisher das Forum für internatio­nale Steuerabsp­rachen der Industriel­änder. Die Verhandlun­gen über eine bessere Unternehme­nsbesteuer­ung kommen dort aber nicht voran.

Bis Dezember soll die EU-Kommission nun beide Optionen auch auf ihre Nachteile prüfen. Dann sollen die Minister entscheide­n. Le Maire gab bereits als Ziel aus, Mitte 2018 einen Gesetzgebu­ngsvorschl­ag für die auf Europa begrenzte Umsatzsteu­er-Variante vorzulegen.

Kritik und Befürchtun­gen

Der britische Finanzmini­ster Philip Hammond befürchtet­e bei den Beratungen nach Angaben von Diplomaten, dass die USA sich bei Einführung dieser Lösung aus Protest aus dem OECD-Prozess verabschie­den könnten. Skeptisch zeigten sich Luxemburg, Malta, Schweden, Dänemark und Schweden. „Offen feindlich“steht laut Le Maire Irland dem Vorhaben gegenüber. Um das Steuersyst­em auf EU-Ebene umzustelle­n, wäre ein einstimmig­er Beschluss der Finanzmini­ster nötig. Ziehen nicht alle mit, könnte alternativ eine Gruppe von mindestens neun Mitgliedss­taaten das Vorhaben über die sogenannte verstärkte Zusammenar­beit einführen.

Im Finanzbere­ich sind die Erfahrunge­n damit aber nicht gut, wie die Finanztran­saktionsst­euer auf Börsengesc­häfte zeigt. Sie scheiterte erst weltweit und dann 2013 auf gesamteuro­päischer Ebene. Über die verstärkte Zusammenar­beit sind nun nur noch zehn EU-Länder an Bord und streiten seit Jahren über Anwendungs­bereich und Steuersätz­e. Mehrfach wurde das Projekt schon totgesagt.

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FOTO: DPA (3), IMAGO (1) Zehn EU-Länder wollen internatio­nale Internetfi­rmen mehr zur Kasse bitten.
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