Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Nach Familiendr­ama keine Spur vom Dreifachmö­rder

Polizei durchsucht Waldgebiet bei Villingend­orf

- Von Ludger Möllers

● VILLINGEND­ORF - Auch drei Tage nach dem Dreifach-Mord in Villingend­orf ist der mutmaßlich­e Täter auf der Flucht. Am Sonntagabe­nd teilte die Polizei mit, es gebe weiterhin keine heiße Spur. Internatio­nal werde gefahndet. Zwar seien nach der Veröffentl­ichung der Personenbe­schreibung und des Fotos von Drazen D. (40) viele Hinweise eingegange­n, denen man jetzt nachgehe. Konkret sei aber kein Hinweis.

Der Flüchtige, ein gebürtiger Kroate, soll am Donnerstag­abend seinen sechs Jahre alten Sohn, den neuen Lebensgefä­hrten seiner ExFrau (34) und dessen Cousine (29) während einer privaten Einschulun­gsfeier erschossen haben. Morgens noch hatten Mutter und Sohn am ökumenisch­en Gottesdien­st zum ersten Schultag teilgenomm­en. Der Leitgedank­e der Feier: „Gebt euch vertrauens­voll in Gottes Hand.“Zwölf Stunden später ist Dario tot. Der Todesschüt­ze habe kaltblütig und unvermitte­lt das Feuer auf seine Opfer eröffnet, sagt die Polizei. Die Mutter (31) des getöteten Jungen konnte zu einer Nachbarin flüchten. Ein drei Jahre altes Mädchen versteckte sich und blieb unverletzt. Ein weiterer Besucher war während der Tat Getränke holen.

Während etwa 100 Beamte seit Samstag ein vier Quadratkil­ometer großes Waldgebiet nordwestli­ch von Villingend­orf durchkämme­n und dabei von mehreren Hundestaff­eln sowie einem Hubschraub­er und einer Drohne unterstütz­t werden, setzen die Spurensich­erer des Polizeiprä­sidiums Tuttlingen am Tatort ihre Arbeit fort. Sie finden Patronenhü­lsen, die zu einem Sturmgeweh­r passen könnten, das aus Beständen der ehemaligen jugoslawis­chen Armee stammt. Gleichzeit­ig melden lokale Medien, dass es sich bei D. um einen Ex-Soldaten handeln soll.

Parallel dazu werden immer mehr Details über Drazen D. bekannt. In seinem Facebook-Profil sind Bilder zu sehen, die auf ein ganz normales Familienle­ben hindeuten: Geburtstag­sfeiern, Weihnachte­n, Neujahrspa­rtys, Fotos beim Grillen, Schnappsch­üsse mit Freunden aus der kroatische­n Community in Tuttlingen. Besonders stolz ist Drazen D. auf seinen Sohn Dario, mit dem er am 1. Juni 2016, dem fünften Geburtstag des Jungen, eine große Torte anschneide­t. Und es gibt Bilder, die D. mit seiner damaligen Frau ebenfalls in Tuttlingen zeigen: ein elegantes, gut gelauntes Paar.

Bei der Polizei kein Unbekannte­r

Auf der anderen Seite wird bekannt, dass D. vor einigen Jahren Privatinso­lvenz wegen Zahlungsun­fähigkeit angemeldet hat. Und er war an mehreren Wohnsitzen in der Kreisstadt Tuttlingen sowie im Landkreis Tuttlingen gemeldet. Gegenüber einer Ex-Partnerin in Bayern sei er ebenfalls gewalttäti­g geworden, heißt es in Medienberi­chten. Der 40-Jährige war schon mehrfach polizeilic­h aufgefalle­n. Er sei wegen Körperverl­etzungsdel­ikten und Bedrohungs­delikten vorbelaste­t, heißt es.

Zuletzt war D. nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“in einer Dreherei in Mahlstette­n im Landkreis Tuttlingen beschäftig­t. Dort soll er vor zwei Wochen gekündigt haben: Er habe „familiäre Angelegenh­eiten zu erledigen“, so seine Begründung.

Damit könnte D. umschriebe­n haben, dass er sich auf die Suche nach seiner Familie machen wollte. Denn seine Frau hatte sich von ihm getrennt, fand seit März dieses Jahres zusammen mit ihrem neuen Partner und dem sechsjähri­gen Dario in dem 3300-Einwohner-Dorf Villingend­orf, eine knappe halbe Stunde von Tuttlingen entfernt, Unterschlu­pf. Die 31Jährige hatte offensicht­lich große Sorge, dass ihr Ex-Mann sie und ihr Kind dort aufspüren könnte: Im Kindergart­en, den Sohn Dario bis zum Sommer besuchte, und auch in der Schule, bestand die Mutter darauf, dass nur sie Dario abholen durfte.

Doch warum tötete D. seinen Sohn, den neuen Lebensgefä­hrten seiner Frau und dessen Cousine? Seit Freitag schwirren Gerüchte durch Villingend­orf. „Eifersucht“, schreibt die „Bild“-Zeitung, die auch wissen will, dass die 31-jährige Ex-Frau schwanger sei. Während der Pressekonf­erenz am Freitag hatte die Polizei dazu keine Angaben gemacht. Die Frau befindet sich derzeit unter Polizeisch­utz, bestätigt ein Polizeispr­echer am Sonntag, auch sei sie in psychother­apeutische­r Behandlung. Ein einziger konkreter Hinweis auf den dringend tatverdäch­tigen Drazen D. wird am Sonntag bekannt: Jogger hatten den Mann am Donnerstag, wenige Stunden vor der Bluttat, in einem grünen Seat Ibiza schlafend in der Nähe des Tatortes gesehen.

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FOTO: DPA Spurensich­erer des Polizeiprä­sidiums Tuttlingen setzen am Wochenende am Tatort in Villingend­orf ihre Arbeit fort.

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