Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Visionär mit belastetem Namen

Architekt Albert Speer junior im Alter von 83 Jahren gestorben

- Von Christian Schultz

● FRANKFURT (dpa) - Die Stadt als lebenswert­er Raum, umweltgere­cht, nachhaltig. Das war ein Leitbild von Albert Speer junior. Er schaute nicht nur darauf, was gebaut werden sollte, sondern auch auf das, was nicht bebaut werden sollte: Freiräume zum Wohle von Menschen und Natur. Ein starker Kontrast zu seinem gleichnami­gen Vater, Adolf Hitlers Lieblingsa­rchitekten, der wuchtige Kulissen aus Beton für das NS-Regime plante und baute. Albert Speer junior brachte es zum internatio­nal bekannten Architekte­n, auf vielen Kontinente­n hinterließ er Spuren – und konnte doch nie ganz dem Schatten seines Vaters entkommen. Mit 83 Jahren ist er am Freitag in Frankfurt gestorben.

Der gelernte Schreiner, 1934 in Berlin geboren, dachte schon früh groß. Er entwarf Masterplän­e, konzipiert­e neue Städte für Hunderttau­sende. Das Credo des Visionärs: wohnen, arbeiten, einkaufen und Freizeit eng miteinande­r verzahnen. Speer schuf etwa eine Diplomaten­stadt im saudi-arabischen Riad, Konzepte für die nigerianis­che Hauptstadt Abuja, einen Masterplan für die mit Bausünden übersäte Innenstadt Kölns, plante für die Weltausste­llung „Expo 2000“in Hannover und war maßgeblich am riesigen Bauprojekt des Europavier­tels auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnh­ofs in seiner Heimat Frankfurt beteiligt.

Nach oben ging es für Speer schnell, obwohl er nach eigener Aussage kein guter Schüler war, in der Schule eher riesige Probleme hatte und früher stotterte. Doch er überwand Hinderniss­e, holte das Abitur in einer Abendschul­e in München nach, bekämpfte sein Stottern, indem er sich gezielt Gesprächen aussetzte. 1964 gründete Speer ein eigenes Büro in Frankfurt. Nur zwei Jahre später gewann er den Deutschen Architekte­nnachwuchs­preis, wieder zwei Jahre später hatte er seinen ersten Auslandsau­ftrag in der Tasche: für die Regionalpl­anung von West-Tripolitan­ien in Libyen.

Sinnvolle statt prächtige Bauten

Wegen mancher Projekte im Ausland war Speer konfrontie­rt mit der Debatte, ob deutsche Architekte­n in diktatoris­ch regierten Staaten bauen sollten. Vor seinem 75. Geburtstag sagte er: „Wir sollten uns als Deutsche nicht anmaßen, anderen zu sagen, wie sie leben sollen.“Seiner Heimat attestiert­e er Schwerfäll­igkeit. „Wir sind nicht schnell genug im Umsetzen von Ideen.“Seinem Büro gehe es um sinnvolle Projekte, nicht um Prachtbaut­en für die Regierung – ein scharfer Gegensatz zum Vater, der „Generalbau­inspektor“für den von Hitler erdachten Umbau Berlins zur Reichshaup­tstadt Germania war.

Diesem Teil seiner Familienge­schichte stellte sich Speer junior. So beteiligte er sich mit zwei weiteren seiner fünf Geschwiste­r an Heinrich Breloers 2005 in der ARD ausgestrah­ltem, dreiteilig­em Doku-Drama namens „Speer und Er“über den eigenen Vater als NS-Großbaumei­ster. Gleichwohl war er von den vielen Fragen zu seinem Vater wenig begeistert. „Immer werde ich nach meinem Vater gefragt, das nervt“, sagte er vor einigen Jahren der „Süddeutsch­en Zeitung“. Er habe sein ganzes Leben lang versucht, sich von seinem Vater abzugrenze­n, sich zu distanzier­en. Das sei soweit gegangen, dass er bewusst eine andere Unterschri­ft habe. „Mein Vater hatte eine prägnante Unterschri­ft, mit sehr spitzem, großen A. Meine Unterschri­ft ist das bewusste Gegenstück“, sagte er der „Süddeutsch­en“.

Die Ökologie im Blick

Die Grundideen des Juniors ziehen sich durch seine Projekte: den Flächenver­brauch kleinhalte­n, energieeff­izient bauen. In seinem Buch „Die intelligen­te Stadt“von 1992 warb er für neue Strategien für Städte und einen intelligen­ten Umgang mit endlichen Ressourcen: „Wir dürfen nicht nur festlegen, wo gebaut wird. Wir müssen vielmehr bestimmen, wo nicht gebaut werden darf“, sagte er einmal. Siedlungen dürften sich nicht weiter ausbreiten wie Pfannkuche­n. Bauen müsse möglichst ökologisch auf Menschen und Landschaft­en angepasst sein. Speer erkannte früh, wie bedeutend dies für Städte im internatio­nalen Wettbewerb ist. Und er schaute über die Grenzen seiner Disziplin hinweg, arbeitete früh mit Soziologen zusammen.

Bis zuletzt war der mit der Schauspiel­erin Ingmar Zeisberg verheirate­te Speer beruflich aktiv. Viel Energie verwandte er auch auf die Förderung des Architektu­r-Nachwuchse­s, gründete dafür 1995 die AlbertSpee­r-Stiftung. Zudem hatte er viele Jahre lang einen Lehrstuhl für Stadtund Regionalpl­anung an der TU Kaiserslau­tern inne.

Persönlich­e Wohlfühlor­te waren für Speer sein Ferienhaus am Riegsee im Voralpenla­nd und Frankfurt, wo er seit 1960 lebte. Die Stadt am Main nannte er 2013 in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“ein „Modell für die Welt“. Frankfurt könne mit seiner Kleinheit und gleichzeit­igen Internatio­nalität auftrumpfe­n. Das Fehlen von Prachtbaut­en sei im 21. Jahrhunder­t kein Makel. Nicht Bauten, sondern Kultur, Geschichte und Menschen prägten künftig die Städte.

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FOTO: DPA Architekt Albert Speer junior konnte nie ganz dem Schatten seines Vaters entkommen.

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