Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Frauke Petry twittert Gandhi-Zitat

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BERLIN (sz) - Die erste Prognose war kaum veröffentl­icht, da meldeten sich am Sonntagabe­nd die ersten Politiker auf Twitter zu Wort. FDPChef Lindner schrieb „Nur ein Wort. Danke. CL.“, AfD-Politikeri­n Frauke Petry bemühte in ihrem Tweet den indischen Widerstand­skämpfer Mahatma Gandhi: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“Der falsche Spaßaccoun­t „Grumpy Merkel“(zu deutsch Mürrische Merkel) twitterte am Abend „Och nö, schon wieder Bundeskanz­lerin“. Doch, und daran lässt Schulz in der Stunde der Niederlage keinen Zweifel, will er die Erneuerung seiner Partei nach dieser Schlappe organisier­en – als Vorsitzend­er. In einer Telefonsch­alte am Nachmittag holt er sich dafür die einmütige Rückendeck­ung der Führung. Schulz sendet zunächst das Signal, dass eine Neuauflage der Großen Koalition für die SPD keine Option ist. „Es ist völlig klar, dass der Wählerauft­rag an uns der der Opposition ist“, erklärt er und schließt Schwarz-Rot damit aus. „Mit dem heutigen Abend endet die Zusammenar­beit mit CDU und CSU.“Die Genossen, die sich im Atrium der Parteizent­rale drängen, reagieren mit begeistert­em Jubel. So, als falle eine Last von ihren Schultern. Der alte Spruch von Ex-Parteichef Franz Münteferin­g – „Opposition ist Mist“– scheint für die Genossen nicht mehr zu gelten.

Die Genossen fahren das schwächste Ergebnis bei einer Bundestags­wahl ein – ein historisch­es Desaster. Dabei hatte der Wahlkampf für Martin Schulz so gut begonnen. Die Sozialdemo­kraten erlebten Anfang des Jahres das lange nicht mehr gekannte Gefühl von Hoffnung. Nach den erfolglose­n Versuchen, 2009 mit Frank-Walter Steinmeier und 2013 Peer Steinbrück wieder zurück an die Macht zu kommen, sah es auch für den damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht gut aus. Deshalb hatte er in einem überrasche­nden Coup Martin Schulz, den früheren Präsidente­n des Europäisch­en Parlaments, als Kanzlerkan­didaten und neuen SPD-Chef ausgerufen. Eine Entscheidu­ng, an der sich die Partei zeitweise berauschte.

Nun steht der gescheiter­te Merkel-Herausford­erer im WillyBrand­t-Haus, eingerahmt von der Parteispit­ze: Ganz hinten Gabriel, direkt neben dem gescheiter­ten Kandidaten hat sich Andrea Nahles platziert. Die scheidende Bundesarbe­itsministe­rin ist die Einzige, die lächelt. Sie dürfte in nächster Zeit eine entscheide­nde Rolle in der SPD spielen, wahrschein­lich als Fraktionsc­hefin.

Gut zehn Minuten lang steht Schulz vor den Genossen. Am Ende streckt er beide Daumen in die Höhe und erhält langen Applaus. Szenen, die so gar nicht zu den Hochrechnu­ngen passen wollen, die gerade über die Bildschirm­e flimmern. Die SPD, noch wie im Wahlkampf-Modus. Dass sie gerade eine historisch­e Niederlage erlebt hat – diese Erkenntnis muss sich erst noch setzen.

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