Einhornland ist abgebrannt
Lisa Miller aus Weißenhorn wandelt mit ihrer Ausstellung im Künstlerhaus Ulm auf dem schmalen Grat zwischen Konsumterror und Katastrophe
ULM (mgo) -Mit etwas Abstand betrachtet ist der Kapitalismus ein Ungetüm. Aus der Nähe sieht er aber aus wie ein Einhorn. Jedenfalls in der Multimedia-Installation „There is no alternative“. Die aus Weißenhorn stammende Künstlerin Lisa Miller lässt im Künstlerhaus im Ochsenhäuser Hof die rosarote Fassade der Konsumgesellschaft auf ihre dunklen Abgründe treffen.
Natürlich denkt man bei dem Titel schnell an Angela Merkels Worte von der „Alternativlosigkeit“mancher politischer Entscheidungen. Der Ausstellung zugrunde liegt aber vor allem ein Zitat des englischen Kulturtheoretikers Mark Fisher (1968–2017): Es sei leichter, sich das Ende der Welt als das Ende des Kapitalismus vorzustellen. Miller, die Kunst und Film studierte und derzeit ihren in Bubenhausen gedrehten Heimatfilm „Landrauschen“fertigstellt, zeigt am Anfang ihres Parcours’ warum: Weil der Kapitalismus unseren gesamten Alltag, unser gesamtes Leben prägt.
Das Einhorn, derzeit so etwas wie das Maskottchen der Konsumgesellschaft im Mädchenzimmer, steht auf der einen Seite, als bonbonfarbenes Spielzeug in Ikea-Regalen, neben einem Zusammenschnitt von YoutubeVideos, die schon Kinder zu Konsumopfern machen. Die 30-jährige Miller sieht darin eine Form der Gehirnwäsche. „Die Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, die sich die Sachen eigentlich gar nicht leisten können.“
Doch manche Einhörner sind bereits zerstört, umgeben von verkohlten Schutt. Der erste Verweis auf ein Ereignis, das den zweiten Teil der Installation prägt: der Brand des Londoner Grenfell Towers, bei dem im Juni etwa 80 Menschen ums Leben kamen – obwohl die Fassade als Sicherheitsrisiko bekannt war. Der Grenfell Tower ist für Miller deswegen ein Symbol dafür, wie die Gier und Verantwortungslosigkeit der einen Tod und Leid anderer verursacht. Im Künstlerhaus stehen dafür Styropor-Stelen, auf die ein Video von dem verheerenden Feuer projiziert wird. Die stärkste emotionale Wirkung entfacht aber der Schluss der Ausstellung: Die Besucher können mittels einer Virtual-RealityBrille in eine bunte, abstrakte Welt reisen, während sie im Hintergrund die Tonspur eines Videos aus dem brennenden Hochhaus hören. Virtuelle Realität kontra Realität. „There is no alternative“setzt auf Überwältigung. Ob das auch pädagogisch gemeint ist? Unbedingt, sagt die Künstlerin. Und zumindest eine Alternative zeigt sie: Auf dem Boden liegen Pflastersteine bereit.
Die Ausstellung „There is no alternative“läuft bis 8. Oktober. Öffnungszeiten: Donnerstag/ Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag/ Sonntag 11 bis 16 Uhr.