„Er fehlt jetzt schon“
Die deutsche Politik verabschiedet sich vom früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler – Erwin Teufel würdigt ihn in einer bewegenden Trauerrede
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GLEISWEILER (dpa) - Wertkonservativ und klug, warmherzig und streitbar, so beschreibt Erwin Teufel den alten Freund. Als der frühere badenwürttembergische Ministerpräsident zu seiner Trauerrede ansetzt, wird die Anteilnahme in der kleinen Kirche St. Stephan im pfälzischen Gleisweiler spürbar. Teufel richtet einen letzten Gruß an Heiner Geißler. Auf den Bänken vor ihm sitzen prominente Wegbegleiter. Das macht noch einmal deutlich, welche Spuren Geißler einst als Sozialminister von Rheinland-Pfalz, als Bundesfamilienminister oder als langjähriger CDU-Generalsekretär hinterlassen hat.
Vom Kämpfer zum Schlichter
Auch Schlichter bei dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 war der am 12. September im Alter von 87 Jahren verstorbene Geißler, der nun in seiner Wahlheimat beigesetzt wird. Gerade das Engagement rund um das Bahnprojekt stehe exemplarisch für das Leben Geißlers, sagt Teufel in seiner Trauerrede. „Der Kämpfer wurde zum Schlichter.“Teufel erinnert auch an Geißlers Streit mit dem vor drei Monaten verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl.
Wenige Meter vom Sarg des stets diskussionsfreudigen Ministers entfernt hat die Familie Platz genommen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie zahlreiche andere CDU-Vertreter sind nach Gleisweiler gekommen: etwa der bisherige Bundestagspräsident Norbert Lammert, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner und Thomas Strobl, der Landeschef der CDU in Baden-Württemberg, wo Geißler einst in Oberndorf am Neckar geboren wurde. Zu Gast ist auch die alte CDU-Garde mit dem früheren Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und den ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und Kurt Biedenkopf.
Zwischen einem Psalm und Frank Sinatras „My Way“erinnert Diakon Gregor Daul an die politische Leidenschaft des einstigen Jesuitenschülers Geißler. Daul geht in seiner Predigt auf das politische Erbe des scharfsinnigen Redners ein, auch viele andere Gäste erinnern sich an diesem sonnigen Herbsttag in Gleisweiler an Geißlers Rhetorik und seine starke Persönlichkeit.
„Prägender Sozialpolitiker“
„Er war prägend als Sozialpolitiker“, sagt die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), die stellvertretend für die Landesregierung gekommen ist. Heiner Geißler habe Dinge immer beim Namen genannt. Journalist Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“nennt Geißler am Rande der Zeremonie einen großen Demokraten und aufrichtigen Menschen. „Zur Demokratie gehört Streit – und dass die Streitenden wieder zusammenfinden“, sagt Prantl. „Heiner Geißler konnte beides. Er fehlt jetzt schon.“
Nicht alle können der Feier in der kleinen Kirche beiwohnen. Viele Trauergäste stehen schweigend vor der Kirche, als die Glocken läuten. Dem schlichten Holzsarg folgt die Prozession der Trauernden in Richtung des kleinen Friedhofs von Gleisweiler.
Es ist, als ob ein Kapitel deutscher Geschichte zu Grabe getragen wird.