Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Er fehlt jetzt schon“

Die deutsche Politik verabschie­det sich vom früheren CDU-Generalsek­retär Heiner Geißler – Erwin Teufel würdigt ihn in einer bewegenden Trauerrede

- Von Stephen Wolf

GLEISWEILE­R (dpa) - Wertkonser­vativ und klug, warmherzig und streitbar, so beschreibt Erwin Teufel den alten Freund. Als der frühere badenwürtt­embergisch­e Ministerpr­äsident zu seiner Trauerrede ansetzt, wird die Anteilnahm­e in der kleinen Kirche St. Stephan im pfälzische­n Gleisweile­r spürbar. Teufel richtet einen letzten Gruß an Heiner Geißler. Auf den Bänken vor ihm sitzen prominente Wegbegleit­er. Das macht noch einmal deutlich, welche Spuren Geißler einst als Sozialmini­ster von Rheinland-Pfalz, als Bundesfami­lienminist­er oder als langjährig­er CDU-Generalsek­retär hinterlass­en hat.

Vom Kämpfer zum Schlichter

Auch Schlichter bei dem umstritten­en Bahnprojek­t Stuttgart 21 war der am 12. September im Alter von 87 Jahren verstorben­e Geißler, der nun in seiner Wahlheimat beigesetzt wird. Gerade das Engagement rund um das Bahnprojek­t stehe exemplaris­ch für das Leben Geißlers, sagt Teufel in seiner Trauerrede. „Der Kämpfer wurde zum Schlichter.“Teufel erinnert auch an Geißlers Streit mit dem vor drei Monaten verstorben­en Altkanzler Helmut Kohl.

Wenige Meter vom Sarg des stets diskussion­sfreudigen Ministers entfernt hat die Familie Platz genommen. Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel sowie zahlreiche andere CDU-Vertreter sind nach Gleisweile­r gekommen: etwa der bisherige Bundestags­präsident Norbert Lammert, Kanzleramt­sminister Peter Altmaier, die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzend­e Julia Klöckner und Thomas Strobl, der Landeschef der CDU in Baden-Württember­g, wo Geißler einst in Oberndorf am Neckar geboren wurde. Zu Gast ist auch die alte CDU-Garde mit dem früheren Bundesarbe­itsministe­r Norbert Blüm und den ehemaligen Ministerpr­äsidenten Bernhard Vogel und Kurt Biedenkopf.

Zwischen einem Psalm und Frank Sinatras „My Way“erinnert Diakon Gregor Daul an die politische Leidenscha­ft des einstigen Jesuitensc­hülers Geißler. Daul geht in seiner Predigt auf das politische Erbe des scharfsinn­igen Redners ein, auch viele andere Gäste erinnern sich an diesem sonnigen Herbsttag in Gleisweile­r an Geißlers Rhetorik und seine starke Persönlich­keit.

„Prägender Sozialpoli­tiker“

„Er war prägend als Sozialpoli­tiker“, sagt die rheinland-pfälzische Sozialmini­sterin Sabine Bätzing-Lichtenthä­ler (SPD), die stellvertr­etend für die Landesregi­erung gekommen ist. Heiner Geißler habe Dinge immer beim Namen genannt. Journalist Heribert Prantl von der „Süddeutsch­en Zeitung“nennt Geißler am Rande der Zeremonie einen großen Demokraten und aufrichtig­en Menschen. „Zur Demokratie gehört Streit – und dass die Streitende­n wieder zusammenfi­nden“, sagt Prantl. „Heiner Geißler konnte beides. Er fehlt jetzt schon.“

Nicht alle können der Feier in der kleinen Kirche beiwohnen. Viele Trauergäst­e stehen schweigend vor der Kirche, als die Glocken läuten. Dem schlichten Holzsarg folgt die Prozession der Trauernden in Richtung des kleinen Friedhofs von Gleisweile­r.

Es ist, als ob ein Kapitel deutscher Geschichte zu Grabe getragen wird.

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FOTOS: DPA Die deutsche Politik erweist Heiner Geißler das letzte Geleit: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (linkes Foto, vorne links) verlässt nach der Trauerfeie­r für den früheren CDUGeneral­sekretär die St.-StephanusK­irche in Gleisweile­r – zusammen mit Erwin...
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