Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ulmer Kommando will sich dem Bündnis beweisen

„Nato-TÜV“für multinatio­nale Kriseneins­ätze steht im Mai an – Alleinstel­lungsmerkm­al im Vergleich zu anderen Hauptquart­ieren

- Von Ludger Möllers

ULM - Bis zu 60 000 Soldaten im Auftrag der Nato zu Lande, zu Wasser und in der Luft führen, dazu Spezialkrä­fte koordinier­en und Cyber-Angriffe abwehren: Das Ulmer Multinatio­nale Kommando Operative Führung arbeitet intensiv daran, teilstreit­übergreife­nd und multinatio­nal Kriseneins­ätze auf Bündnisebe­ne kommandier­en zu können. Im Mai 2018 will das Ulmer Hauptquart­ier seine Fähigkeite­n beweisen, um den begehrten „Nato-TÜV“bestehen. Noch bis zum heutigen Donnerstag bereiten 160 hochrangig­e Militärs aus 22 Nationen in einem Tagungszen­trum bei Ulm die Zertifizie­rungsübung „Trident Jaguar“vor.

Trügen die Herren, die meisten in gesetztem Alter nicht alle Uniform, so könnten sie auch an einer x-beliebigen internatio­nalen Tagung teilnehmen. Aktenköffe­rchen, Rucksäcke mit Laptops, Handys und Visitenkar­ten als Requisiten sind immer dabei. Verhandelt wird in englischer Sprache. Doch es geht nicht um Verträge oder Geschäftsa­bschlüsse. Besprochen wird – am PC und auf Papier – ein Kriegsszen­ario. Einige der Herren sind Nato-Offiziere und haben militärisc­he Aufgaben ausgearbei­tet. Sie skizzieren ihren Kameraden, den Offizieren aus dem Ulmer Kommando, Panzeratta­cken, Überfälle durch Fallschirm­jäger, Entführung­en von Unbeteilig­ten, Flüchtling­strecks. Der Hintergrun­d: Der kleine Staat Skolkan ist überfallen worden und hat um Hilfe gerufen. Zwar ist Skolkan kein Nato-Mitglied. Dennoch schickt die Nato Truppen aus verschiede­nen Ländern, hat einen Krisenreak­tionseinsa­tz unter Führung des Ulmer Kommandos angeordnet. Dessen Soldaten müssen Lösungen erarbeiten, wie sie auf die Herausford­erungen reagieren, um wieder Frieden in Skolkan zu schaffen. Und die Nato-Offiziere schauen genau hin, ob die Ulmer Militärs sauber nach den Standards des Bündnisses arbeiten.

„Das Übungsprog­ramm ist umfassend und substantie­ll“, erklärt Generalleu­tnant Richard Roßmanith, der Befehlshab­er des Ulmer Kommandos, „interessan­t und es erfordert Phantasie.“Ein Blick auf die aktuellen Einsätze und die vergangene­n Jahre zeige, dass die Bundeswehr gefragt sei wie nie. Die Weltlage beweise, dass sich viele neue Krisenherd­e entwickelt­en, die ein Eingreifen der Nato oder der Vereinten Nationen erforderli­ch machen könnten: „Blicken Sie nur auf Afrika und den Nahen Osten.“

Im Jahr 2012 hatte der Generalins­pekteur der Bundeswehr die Entscheidu­ng getroffen, dass die Bundesrepu­blik das Ulmer Kommando mit seinen 650 Soldaten ab 2018 der Nato zur Verfügung stellen will. 2013 wurde mit Richard Roßmanith ein General mit langer Erfahrung in Nato-Stäben Befehlshab­er. Sein Ziel: die Nato-Zertifizie­rung.

Sollten die Ulmer diesen „NatoTÜV“bestehen, so hätten sie im Bündnis ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Denn die anderen zehn DreiSterne-Kommandos, die der Nato zur Verfügung stehen – beispielsw­eise im englischen Gloucester, oder im französisc­hen Lille – sind darauf ausgericht­et, Operatione­n ausschließ­lich zu Lande zu führen. Sie haben lediglich Verbindung­soffiziere zur Luftwaffe und zur Marine. „Wir aber können gemeinsame Operatione­n von Heer, Luftwaffe, Marine und den Spezialkrä­ften leiten“, weist der Ulmer Pressespre­cher, Oberstleut­nant Hagen Messer, auf die besonderen Ulmer Fähigkeite­n hin.

Hinzu kommt: Im Bündnis und auch auf der Ulmer Tagung herrschen Zweifel, ob wirklich alle DreiSterne-Kommandos einsatzber­eit wären. Die aktuellen Spannungen mit der Türkei lassen nach Meinung einiger Offiziere diese Frage offen. Und ob die Griechen – wiewohl auch ihr Kommando zertifizie­rt werden soll – in der Finanzkris­e alle Verpflicht­ungen stemmen, sei fraglich.

Dass das Ulmer Kommando im Mai den „Nato-TÜV“besteht, gilt als sicher. Bis zum Mai 2018, wenn die Ulmer Soldaten im norwegisch­en Stavanger zeigen, wie sie im fiktiven Staat Skolkan Frieden schaffen, reiht sich Übung an Übung. Meist am Computer, aber im April auch auf dem Truppenübu­ngsplatz Stetten am kalten Markt. Bis dahin heißt es „Üben, üben, üben.“Um dann zu bestehen.

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? Noch bis heute bereiten 160 hochrangig­e Militärs aus 22 Nationen in Ulm die Zertifizie­rungsübung „Trident Jaguar“vor.
FOTO: LUDGER MÖLLERS Noch bis heute bereiten 160 hochrangig­e Militärs aus 22 Nationen in Ulm die Zertifizie­rungsübung „Trident Jaguar“vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany