„Es muss Zeichen der Erneuerung geben“
CDU-Landesgruppenchef fordert Kompromissbereitschaft für eine Jamaika-Koalition
BERLIN - Andreas Jung sieht keine unüberwindbaren Hürden für eine Koalition von CDU/CSU mit FDP und Grünen. Das sagte der frisch wiedergewählte Landesgruppenchef der baden-württembergischen CDU-Bundestagsabgeordneten im Gespräch mit Sabine Lennartz und Kara Ballarin. Zudem fordert der 42-Jährige Zeichen einer Erneuerung, auch personell.
Die CDU-Fraktion ist um fünf Abgeordnete aus Baden-Württemberg geschrumpft. Wie schmerzlich ist das?
Es ist bitter, dass nun sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen nicht mehr dabei sind. Das liegt daran, dass wir im Gegensatz zu 2013 kein Mandat über die Landesliste bekommen haben. Wir haben aber, wie letztes Mal auch, alle Wahlkreise gewonnen. Das ist nicht selbstverständlich, nicht im Bund und nicht im Land, auch in Oberschwaben, wie die Landtagswahl 2016 gezeigt hat. Wie war die Stimmung in Ihrer Landesgruppe? Da ist einerseits Enttäuschung. Aber wir freuen uns auch über Erfolge. Wir sind die stärkste Kraft und werden mit der Kanzlerin eine Regierung bilden. Nur drei Viertel der Abgeordneten haben Volker Kauder als Fraktionschef wiedergewählt. War er der Blitzableiter für den Unmut über die Wahlergebnisse? Vielleicht war er das. Ich bedaure das aber. Wir Baden-Württemberger stehen voll hinter ihm – und hinter unserem Spitzenkandidaten Wolfgang Schäuble. Ihre Erfahrung tut uns gut. Daneben muss es aber auch Zeichen der Erneuerung geben. Wir müssen uns jetzt auf die Zeit ab 2021 vorbereiten. Bekommen jüngere Abgeordnete genug Platz eingeräumt? Den müssen sie sich auch nehmen und sich selbst entwickeln. Es ist notwendig, dass jüngere Köpfe sichtbarer werden. In welchen inhaltlichen Punkten muss die CDU in Baden-Württemberg ihr Profil schärfen? Einen Kurswechsel mit Rechtsruck würde ich für falsch halten. Wir müssen die Probleme, die die AfD-Wähler umtreiben, ernst nehmen und Lösungen finden. Ich bin überzeugt, dass die meisten diese Partei aus Protest gewählt haben. Sie müssen wir wieder für uns gewinnen. Wo liegen dabei die Hauptprobleme? Zuletzt hat die Flüchtlingsfrage wieder Fahrt aufgenommen. Da müssen wir uns nicht neu erfinden, sondern unsere Politik konsequent umsetzen. Bei Pflege, Gesundheit, Altersarmut gibt es viele Sorgen, die müssen wir ernst nehmen und Antworten geben. Es reicht nicht zu sagen, dass wir eine Kommission zur Rente bilden, wie es in unserem Wahlprogramm hieß. Es geht um die soziale Balance. In Nachwahlbefragungen haben 70 Prozent der Menschen gesagt, sie fürchten, dass unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. Ist das nicht eher ein Problem in Ostdeutschland? Auch bei uns gibt es die Sorge, wie dörfliche Strukturen erhalten werden können, und die Frage, ob man auf dem Land gut leben kann. Der bisherige Breitbandausbau zum Beispiel reicht einfach nicht. Dabei geht es um Geld, aber auch um verfestigte Strukturen, etwa um die starke Stellung der Telekom, die wir notfalls aufbrechen müssen. Das klingt, als sähen Sie in einer möglichen Jamaika-Koalition mehr Gemeinsamkeiten mit den Grünen als mit der FDP. Mit den Grünen im Bund ist es viel schwerer als mit Kretschmann im Land. Aber es gibt bei allen Partnern, die bei Jamaika beteiligt wären, keine unüberwindbaren Hürden. Nachdem die SPD jetzt in den Büschen ist, gibt es nur noch eine Option. Da braucht man Kraft für Kompromisse. Aber ich glaube auch, dass es nicht einfach wird, schließlich wären es vier Partner mit ihren jeweils eigenen Vorstellungen. CSU, Grüne und FDP haben je eigene Kernthemen, die sie in den Verhandlungen durchsetzen wollen. Was ist der Fokus der CDU? Für uns ist Sicherheit zentral wie für die CSU, und Mittelstand wichtig wie für die FDP. Als CDU sollten wir einen besonderen Wert auf Familien legen und hier unser starkes Programm durchsetzen. Mit direkter Förderung, besserer Betreuung und einem Baukindergeld. Wird Baden-Württemberg gut im Verhandlungsteam vertreten sein? Es wird auf jeden Fall schwäbisch und badisch gesprochen werden.