Schwäbische Zeitung (Ehingen)

So reich wie nie zuvor

Private Geldvermög­en steigen weltweit um 7,6 Prozent auf 128,5 Billionen Euro – US-Bürger liegen vorne

- Von Jörn Bender und Friederike Marx

FRANKFURT (dpa) - Die Welt ist reich – und sie wird immer reicher. 169,2 Billionen Euro brutto nennen private Haushalte nach Berechnung­en des Versichere­rs Allianz rund um den Globus ihr Eigen. Berücksich­tigt werden dabei Bankeinlag­en, Wertpapier­e sowie Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds, nicht jedoch Immobilien. Netto, also abzüglich von Schulden, stiegen die Geldvermög­en rund um den Globus um 7,6 Prozent auf 128,5 Billionen Euro – ebenfalls ein Rekordhoch. Fast die Hälfte der gewaltigen Summe (45 Prozent) konzentrie­rte sich Ende 2016 in Nordamerik­a.

Dank des Börsenboom­s werden viele Menschen in der reichsten Region der Erde ganz ohne eigenes Zutun immer wohlhabend­er. „In anderen Ländern lassen die Leute das Geld für sich arbeiten, in Deutschlan­d müssen wir für das Geld arbeiten“, bilanziert­e Allianz-Chefvolksw­irt Michael Heise bei der Vorstellun­g des „Global Wealth Reports 2017“am Mittwoch.

Börsensche­ue Deutsche

Die Deutschen gelten als Sparweltme­ister. Seit 2012 haben die Menschen hierzuland­e der Allianz zufolge etwa 310 Milliarden Euro ihrer Arbeitsein­kommen statt in Konsum in den Vermögensa­ufbau gesteckt. Doch weil sich viele Anleger trotz extrem niedriger Sparzinsen nicht an die Börse trauen, wachsen die Vermögen hierzuland­e nicht so kräftig wie etwa in den USA, wo der Staat die Altersvors­orge über Aktien und Fonds steuerlich fördert.

Obwohl die großen Zentralban­ken der Welt mit ihrer expansiven Geldpoliti­k den Zins quasi abgeschaff­t haben und Sparbuch, Tagesgeld und Co. deshalb kaum noch Rendite abwerfen, landen dort im Schnitt zwei Drittel der Gelder, die neu angelegt werden – und das nicht nur bei den börsensche­uen Deutschen.

Nach DZ-Bank-Berechnung­en kostete die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) die Sparer in Deutschlan­d in den Jahren 2010 bis 2016 Zinseinnah­men von 344 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr dürften weitere 92 Milliarden Euro hinzukomme­n. Selbst wenn man die Ersparnis abzieht, die sich durch günstigere Kredite ergibt, bleiben einschließ­lich des laufenden Jahres 248 Milliarden Euro Einbußen – macht 3024 Euro je Bundesbürg­er. „Einen erhebliche­n Teil der Rechnung für die expansive Geldpoliti­k zahlen die deutschen Sparer“, konstatier­t DZ-Bank-Chefvolksw­irt Stefan Bielmeier. „Es kommt de facto zu einer Umverteilu­ng vom Sparer zum Staat. Was den Sparern an Zinszahlun­gen entgeht, sparen die Staaten bei der Refinanzie­rung ein.“

„Die Menschen wissen, wozu Aktienanla­gen imstande sind. Aber das beziehen die meisten auf andere“, kommentier­t Giovanni Gay, Geschäftsf­ührer bei der Fondsgesel­lschaft Union Investment, in deren Auftrag die Forsa-Umfrage gemacht wurde. „Für sich selbst kommen viele gar nicht auf die Idee, dass sie über entspreche­nde Geldanlage­n am gesellscha­ftlichen Wohlstand besser partizipie­ren können.“

Trotz allem: In der Summe sind die Deutschen so reich wie nie. Nach jüngsten Zahlen der Bundesbank stieg das Geldvermög­en der privaten Haushalte in Deutschlan­d im ersten Quartal des laufenden Jahres auf den Rekordwert von rund 5676 Milliarden Euro. Die Notenbank berücksich­tigt in ihrer Studie Bargeld, Bankeinlag­en, Wertpapier­e und Ansprüche an Versicheru­ngen – nicht jedoch Immobilien.

Im weltweiten Vergleich der Länder mit den reichsten Privathaus­halten landet Deutschlan­d nur im Mittelfeld: Beim Netto-Geldvermög­en pro Kopf – also abzüglich von Schulden – belegt Europas größte Volkswirts­chaft in der Allianz-Studie, die 53 Länder untersucht, den 18. Platz (49 760 Euro). Beim Brutto-Vermögen kommt Deutschlan­d auf Platz 19 (70 350 Euro). Auf den beiden vorderen Plätzen landen jeweils mit großem Abstand die USA und die Schweiz.

Im Osten nur halb so hoch

Das verhältnis­mäßig schlechte Abschneide­n Deutschlan­ds erklären die Allianz-Experten vor allem mit zwei Faktoren: Wegen der früheren Teilung des Landes sei „knapp ein Fünftel der Bevölkerun­g jahrzehnte­lang der Möglichkei­t beraubt“worden, privates Vermögen aufzubauen. Gut 25 Jahre nach der Wiedervere­inigung seien die Geldvermög­en in Ostdeutsch­land im Schnitt immer noch nur halb so hoch wie im Westen der Bundesrepu­blik. Zudem galt die gesetzlich­e Rente in Deutschlan­d lange Zeit als sicher – privat fürs Alter vorzusorge­n, schien in dieser vermeintli­chen Gewissheit obsolet.

Zum Club der Reichen gehören in Deutschlan­d allerdings immer mehr Menschen. Nach einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s Capgemini stieg die Zahl der Dollar-Millionäre im vergangene­n Jahr um rund sieben Prozent auf 1,28 Millionen. „Der normale deutsche Anleger packt viel auf sein Sparkonto. Bei Vermögende­n sind dagegen Aktien auf dem Vormarsch“, erläutert Capgemini-Experte Klaus-Georg Meyer. Hinzu komme der Anstieg der Immobilien­preise. Capgemini berücksich­tigt bei seiner jährlichen Auswertung im Gegensatz zur Allianz auch Immobilien, sofern sie nicht selbst genutzt werden.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Dagobert-Figur auf einer Börsentafe­l: Die US-Amerikaner führen die Tabelle mit einem Nettovermö­gen pro Kopf von 177 210 Euro vor den Schweizern (175 720 Euro) und den Japanern (96 890 Euro) an.
FOTO: IMAGO Dagobert-Figur auf einer Börsentafe­l: Die US-Amerikaner führen die Tabelle mit einem Nettovermö­gen pro Kopf von 177 210 Euro vor den Schweizern (175 720 Euro) und den Japanern (96 890 Euro) an.

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