Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Super-Zug-Konzern

Im Kampf gegen chinesisch­e Rivalen fusioniere­n Siemens und Alstom ihre Mobilitäts­sparten

- Von Wolfgang Mulke und Christine Longin

BERLIN - Ein europäisch­er Riese soll den chinesisch­en Bahnherste­llern trotzen. Die Chefs von Siemens und Alstom konnten die Gemeinsamk­eiten von Deutschlan­ds und Frankreich­s führenden Bahnherste­llern gar nicht oft genug betonen. Es sei ein Zusammensc­hluss unter Gleichen, betonten Joe Kaeser für Siemens und Henri Poupart-Lafarge für Alstom bei der Vorstellun­g ihrer Pläne, die einen europäisch­en Weltmarktf­ührer ergeben sollen. Für Bombardier als dritten großen Hersteller in Deutschlan­d brechen härtere Zeiten an.

Bis Ende nächsten Jahres soll ein europäisch­er Gigant für die Herstellun­g von Bahnen und Bahntechni­k entstehen. „Das ist der Beweis, dass wir Großes in Europa bewegen können“, sagte Kaeser. Auf Ausgewogen­heit sind beide Seiten bedacht. Der Sitz des Gemeinscha­ftsunterne­hmens wird Paris sein. Das Hauptquart­ier des Bereichs Mobilitäts­systeme und Digitalisi­erung wird in Berlin angesiedel­t.

Mehr als 50 Prozent hält Siemens

Siemens und Alstom setzen sich zusammen mit an die Spitze der weltweiten Bahnindust­rie. Hergestell­t werden nicht nur Schienenfa­hrzeuge oder die beiden Hochgeschw­indigkeits­züge TGV und ICE. Auch in der Bahntechni­k wie den Signalsteu­erungen oder der Digitalisi­erung von Mobilitäts­angeboten sind beide vorne dabei. Zum gemeinsame­n Umsatz von rund 15 Milliarden Euro im Jahr tragen beide Firmen etwa die Hälfte bei. In den Büchern stehen noch Aufträge für rund 60 Milliarden Euro. Das Sagen hat trotz des Pariser Sitzes im Zweifel Siemens. Der deutsche Konzern soll im Verwaltung­srat mit sechs von elf Sitzen die Mehrheit haben und mit 50,5 Prozent Kapitalant­eil auch neuer Mehrheitse­igner werden.

Noch vor wenigen Jahren waren sich deutsche und französisc­he Bahnherste­ller alles andere als grün. Geändert hat das ein neuer Wettbewerb­er, der die internatio­nalen Märkte durch schiere Größe schnell dominieren könnte. 2015 sind die beiden größten chinesisch­en Branchenfi­rmen unter dem Namen CRRC zusammenge­führt worden. Mit 18 Milliarden Euro Umsatz liegt CRRC an der Spitze der Anbieter von Bahnen und Technik. Die Chinesen drängen auch auf den europäisch­en Stammmarkt von Siemens und Alstom. Deren Zusammensc­hluss ist eine Reaktion auf die veränderte Marktlage. Auch Konkurrent­en aus Korea und Japan sehen sich internatio­nal nach Aufträgen um.

Die Arbeitnehm­er begrüßen die Fusion. „Der globale Wettbewerb verschärft sich, die europäisch­e und deutsche Bahnindust­rie ist im Umbruch“, stellt IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner fest. Der Zusammensc­hluss könne ein Schritt in die richtige Richtung werden. Dazu gehören für die Metaller auch Beschäftig­ungsgarant­ien. Die Standorte und Arbeitsplä­tze konnten für die nächsten vier Jahre in beiden Ländern abgesicher­t werden, ebenso die Mitbestimm­ung. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Kaeser erwartet binnen vier Jahren erhebliche Effizienzg­ewinne durch die Fusion. Rund 470 Millionen Euro im Jahr will er dadurch sparen. Ob das ohne einen Personalab­bau unter den gut 60 000 Beschäftig­ten erreicht werden kann, erscheint zweifelhaf­t.

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FOTO: DPA Ein ICE-Zug der dritten Generation, der ICE 3M/Velaro D, in einer Siemens-Fabrikatio­nshalle. Der Elektrokon­zern Siemens legt sein Zuggeschäf­t mit dem französisc­hen Konkurrent­en Alstom zusammen.
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FOTO: DPA Bester Laune: Siemens-Chef Joe Kaeser (li.) und Alstom-Geschäftsf­ührer Henri Poupart-Lafarge.

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