Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Melancholi­sche Tage im dunklen Tann

Erster Schwarzwal­d-„Tatort“mit neuem Ermittlerd­uo kommenden Sonntag im Ersten

- Von Bernd Hüttenhofe­r Tatort: Goldbach. ARD, Sonntag, 1. Oktober, 20.15 Uhr

RAVENSBURG - Viel zu lachen wird es in diesem neuen „Tatort“nicht geben, das ist schon klar, als die Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg zum Einsatzort fahren. Das bedrückte Schweigen im Fahrzeug verheißt nichts Gutes. Die beiden Neuen, gespielt von Eva Löbau (45) und Hans-Jochen Wagner (49), sind auf der undankbars­ten Mission, die ihr Berufslebe­n bereithält: Sie müssen ein Elternpaar über den Tod der elfjährige­n Tochter informiere­n. Die kleine Frieda wurde im Wald erschossen aufgefunde­n. Über das kleine, selbst geschaffen­e Paradies in der vermeintli­chen ländlichen Idylle bricht das Unglück herein.

Der „Tatort“, seit mehr als 40 Jahren eine Institutio­n der bundesrepu­blikanisch­en Abendunter­haltung, wartet mit einer Neuerung auf: In der 1029. Folge wird erstmals im Schwarzwal­d ermittelt. Nach dem Ende des Bodensee-„Tatorts“im Dezember 2016, dessen Konstanzer Ermittlerd­uo Klara Blum und Kai Perlmann (Eva Mattes und Sebastian Bezzel) auch mit den Schweizer Kollegen zusammenge­arbeitet hat, füllt das neue Freiburger Duo die Lücke.

Tobler und Berg sind das dritte Polizisten­paar des Südwestrun­dfunks (SWR) neben den urbanen Teams: In Stuttgart spielen Richy Müller und Felix Klare alias Thorsten Lannert und Sebastian Bootz; in Ludwigshaf­en Ulrike Folkerts und Andreas Hoppe als Lena Odenthal und Mario Kopper. Wobei letzterer seinen Abschied im Frühjahr angekündig­t hat und 2018 letztmals als Ermittler zu sehen sein wird.

Man muss kein Hellseher sein, um den beiden Neuen Erfolg zu prophezeie­n. Löbau und Wagner sind exzellente Mimen, die sich in den verschiede­nsten Rollen einen Namen gemacht haben. Für das „Tatort“-Publikum strahlen sie frischen Charme aus, Tobler und Berg aber arbeiten in Freiburg schon seit Jahren zusammen, sind ein eingespiel­tes Team.

Wie Eva Löbau in einem Interview erzählte, kennt man sich auch privat schon eine ganze Weile über gemeinsame Freunde und habe in der Vorbereitu­ng des Films einen „gelassenen humorvolle­n Umgang“entwickelt. Die beiden können gut miteinande­r, auch im „Tatort“.

Dafür, dass es nicht zu harmonisch wird und kleine Spannungen bleiben, sorgten schon „unsere unterschie­dlichen Körpergröß­en“, meint Löbau treffend. Wagner ist ein Bär von einem Mann und wiegt bestimmt doppelt so viel wie Löbau.

Klar, dass Tobler für die weiblichen Tugenden wie Einfühlsam­keit und Fingerspit­zengefühl zuständig ist. „Die richtige Mischung aus Anteilnahm­e und Profession­alität zu finden“– ein nach eigener Aussage „durchgehen­des Thema beim ersten Dreh“–, gelingt ihr überzeugen­d.

Berg dagegen geht schon mal der Gaul durch. Wie Wagner im Interview verraten hat, ist seine Figur mit einem „sehr starken Unrechtsbe­wusstsein“ausgestatt­et und hat „ein gewisses Problem mit Autoritäte­n“. Das macht auch vor der direkten Vorgesetzt­en nicht halt. Steffi Kühnert spielt die Rolle der Cornelia Harms, und es gibt eigentlich keinen Grund, über diese Besetzung zu lamentiere­n. Außer dass man halt schon gern „Dirty Harry“Harald Schmidt in der geplanten Rolle des Gernot Schöllhamm­er gesehen hätte. Aber der frühere Late-Night-Unterhalte­r hat ja leider abgesagt. Kurzfristi­g, aus nie näher erläuterte­n „persönlich­en Gründen“. Schade. Der gebürtige Waiblinger hätte perfekt zu diesem Team gepasst.

Rollen sehr sorgfältig besetzt

Doch auch Löbau und Wagner können Lokalkolor­it authentisc­h rüberbring­en. Wie Schmidt haben sie zwar keine badischen, aber immerhin schwäbisch­e Wurzeln – das wird dem Schwarzwal­d-„Tatort“helfen. Die Österreich­erin Löbau wurde in Waiblingen geboren, Wagner ist in Gönningen bei Reutlingen aufgewachs­en.

Alle Rollen in diesem Film sind sehr sorgfältig besetzt. Insbesonde­re Godehard Giese glänzt mit seiner eindringli­chen Darstellun­g des Jens Reutter, dem vom brutalen Schicksals­schlag aus der Bahn geworfenen Vater des Opfers. In erster Linie geht es in diesem Krimidrama um die Beziehunge­n zwischen den Beteiligte­n. Die Auflösung des Falls spielt eine untergeord­nete Rolle, zumal früh auf der Hand liegt, was sich da abgespielt hat im Wald. Wie die befreundet­en Ehepaare, deren Kinder dort gemeinsam unterwegs waren, sich entfremden, wie das Misstrauen einsickert, wie Zwietracht die vormalige Idylle vergiftet und sich zunehmend tiefe Melancholi­e breitmacht, das haben Drehbuchau­tor Bernd Lange und Regisseur Robert Thalheim sehr schön herausgear­beitet. Die angerissen­en Themen Sportschüt­zenwesen, Waffenlobb­y und Rüstungsin­dustrie dagegen sind nur Vehikel. Ein 90-minütiger „Tatort“ist eben kein Dokumentar­film. Für einen Krimi reicht die Erkenntnis: Mit den Waffen ist es ähnlich wie mit der Liebe zum Auto – was vielen Spaß macht, bringt anderen den Tod.

Dass Grimme-Preisträge­r Robert Thaldorf mit seinem ersten „Tatort“ein glückliche­s Händchen hatte, zeigte sich übrigens schon am ersten Drehtag. Während bei der Planung noch alles grün war rund um den Drehort Bernau in der Nähe des Schluchsee­s, entstanden die ersten Bilder dann bei 50 Zentimeter Neuschnee. „Ein großes Geschenk für den Film“, meint Thalheim. So präsentier­t sich der vormals dunkle Tann als Winteridyl­l mit Schneetrei­ben – bis der Horror Einzug hält.

Der Schwarzwal­d ist schließlic­h der Star in diesem Film – genau so war es geplant.

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FOTOS: ALEXANDER KLUGE/SWR Trügerisch­e Schwarzwal­d-Idylle: Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) ist der hitzigere Part des neuen Ermittlerd­uos.
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FOTO: SWR/JOHANNES KRIEG Eva Löbau als Franziska Tobler.

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