Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie Bluttransf­usionen vermieden werden können

Vortrag am Blaubeurer Krankenhau­s: Blutverlus­t bei Operatione­n gering halten und das Blut der Patienten auf den Eingriff vorbereite­n

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BLAUBEUREN (sz) - 2013 hat es in Blaubeuren­s Krankenhau­s etwa 900 Bluttransf­usionen gegeben, mittlerwei­le aber nur noch etwa 390 – trotz steigender Patientenz­ahlen. Wieso es wichtig ist, Bluttransf­usionen zu senken und wie wichtig Blut ist, verriet kürzlich Thomas Wiederrech­t, Oberarzt der Fachabteil­ung Anästhesie im Blaubeurer Alb-Donau-Klinikum. Im ersten Gesundheit­sforum Blaubeuren der neuen Saison 2017/18 zeigte er auch Wege auf, mit denen die Gabe von Fremdblut während und nach Operatione­n reduziert werden kann und sollte. Dabei spielt das „Patient Blood Management“eine große Rolle.

„Blut ist und war schon immer ein sehr emotional aufgeladen­er Begriff“, sagte Thomas Wiederrech­t. Schon in der Urzeit stehe Blut für ein Lebenselix­ier, das Kraft und Jugend verleihe. Zahlreiche Filme und Romane vom Horror- bis zum Heimatfilm seien mit dem Begriff „Blut“betitelt.

Eine schwere Erkrankung, ein Unfall oder eine große Operation sind Situatione­n, in denen ein Patient auf eine Bluttransf­usion angewiesen sein kann. In solchen Situatione­n kann das Blut eines anderen Menschen Leben retten oder den Gesundheit­szustand deutlich verbessern. Möglich ist dies nur durch Menschen, die selbstlos bereit sind, ihr Blut zu spenden.

Auf dem Land sind die regelmäßig­en Blutspende­naktionen des Deutschen Roten Kreuzes Events, bei denen man selbstvers­tändlich zusammenko­mmt, in der Stadt ist dies nicht der Fall. Jeder zweite geht heute zum Blutspende­n, viele davon regelmäßig seit vielen Jahren. Doch nicht jeder, der dies möchte, darf auch spenden. Denn Voraussetz­ung für eine Spende ist, dass sie weder dem Spender noch dem Empfänger schaden darf.

Unter Berücksich­tigung der Bevölkerun­gsentwickl­ung wird im Jahr 2050 allerdings bei gleich bleibender Spendenber­eitschaft nur noch jeder Vierte Blut spenden können. Diesem Rückgang der Blutspende­r stehe ein steigender Bedarf an Fremdblut durch eine Zunahme von umfangreic­hen Operatione­n entgegen. Bereits heute sei eine sichere Versorgung mit Blutkonser­ven mit einem großen Aufwand verbunden. Umso wichtiger ist es daher, den Umgang mit der Ressource Blut kritisch zu hinterfrag­en.

Oberarzt Thomas Wiederrech­t machte deutlich, dass die Ärzte ihre Verantwort­ung, mit der knappen Ressource Blut sorgfältig umzugehen, ernst nehmen. Zudem gebe es keine Hinweise dafür, dass Bluttransf­usionen bei ansonsten stabilen Patienten den Erfolg von Operatione­n verbessern.

Es werde also Zeit, dem „Patient Blood Management“mehr Beachtung zu schenken. Wiederrech­t benutzte das Bild von zwei Autos. Eines mit halbleerem Tank, eines vollgetank­t bis zum Anschlag. „Mit welchem Auto möchten Sie die Rallye Paris Dakar fahren?“, fragte er die Anwesenden. Warum macht der Mensch das mit seinem Körper nicht genauso? Patient Blood Management setze genau da an: Vor einem Eingriff ist der Tank vollzumach­en und mit Eisen aufzufülle­n. Dadurch entstehe erwiesener­maßen ein geringerer Bedarf an Bluttransf­usionen, ein Anstieg des Hb-Wertes nach dem Eingriff und ein kürzerer Krankenhau­saufenthal­t.

Blutverdün­nende Medikament­e sollten vor einer Operation nur nach Rücksprach­e mit dem Narkosearz­t abgesetzt, durch den Einsatz schonender Verfahren wenn möglich mit minimal-invasivem Zugang blutarm operiert und im Idealfall eine Rückgabe des wiederaufb­ereiteten Wundbluts durchgefüh­rt werden. Auch beim Einsatz von Blutkonser­ven schauen die Ärzte, ob der gleiche Effekt nicht auch mit weniger Fremdblut erreicht werden kann und ob ein Patient auch von seiner Verfassung her auf diese Blutgabe angewiesen ist.

Durch all diese Maßnahmen konnte in Blaubeuren der Bedarf von Bluttransf­usionen deutlich gesenkt werden. 2013 wurden noch rund 900 Transfusio­nen gegeben, heute sind trotz inzwischen gestiegene­r Patientenz­ahlen nur noch 390. Dieser Rückgang zeige, dass es auch anders gehe und das ohne die Zunahme von Komplikati­onen. Zum Ende seines Vortrags forderte Wiederrech­t die Zuhörer auf, vor nicht dringenden Ops zum Hausarzt zu gehen, sich bezüglich der „Tankfüllun­g“zu informiere­n und bei Bedarf eine Füllung des Eisenspeic­hers auch einzuforde­rn. Im Interesse eines sorgfältig­en Umgangs mit der Ressource Blut setzt das Alb-Donau-Klinikum auf das sogenannte Patient Blood Management, das auf drei wesentlich­en Säulen aufbaut:

1. Optimierun­g der Blutbildun­g

durch eine umfassende Vorbereitu­ng des Patienten auf eine geplante Operation.

2. Minimierun­g des Blutverlus­ts

durch schonende und wenn möglich minimal-invasive Verfahren.

3. Bewusster Umgang mit Blutkonser­ven

● nach der Devise „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“.

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ARCHIVFOTO: RASEMANN Die Zahl der Blutspende­r wird in den kommenden Jahren zurückgehe­n.

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