Neues Verfahren gegen Alterssichtigkeit
Ulmer Arzt spricht von einem „minimalen Eingriff“
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ULM - Ob bei der morgendlichen Zeitungslektüre, beim Zubereiten von Essen oder bei der Handarbeit: Mit zunehmenden Alter können immer weniger Menschen genau sehen, was sich direkt vor ihren Augen abspielt – sie leiden unter Alterssichtigkeit. Bereits mit Anfang 40 wird die Linse weniger elastisch und tut sich zunehmend schwer, die Dinge in der Nähe zu fokussieren. Die Folge: Ärzte verschreiben den Patienten eine Lesebrille. Ein neues Verfahren verspricht: keine störende Sehhilfe – mit einem „minimalen Eingriff“. Die Operation bieten bislang acht Augenärzte hierzulande an. Einer davon ist Dr. Rüdiger Schmid von der Ulmer Praxis Accuratis.
Schmid nahm als erster Arzt in Deutschland die neuartige Augenkorrektur vor; und beteiligte sich mit der Uni-Augenklinik Heidelberg maßgeblich daran, das Verfahren in Deutschland einzuführen. „Ich mache das nicht primär aus betriebswirtschaftlichen Gründen“, sagt Schmid und fügt hinzu: „Ich möchte meinen Patienten möglichst viel Mehrwert bieten.“Denn neben der Alterssichtigkeit korrigiert das neue Verfahren auch Kurz- und Weitsichtigkeit sowie Hornhautverkrümmungen.
Der Hauptakteur der neuen Methode ist wenige Millimeter groß, durchsichtig und elastisch: Es handelt sich um eine sogenannte multifokale Zusatz-Linse. Diese zeichnet sich vor allem darin aus, dass ihre Oberfläche Rillen hat. Diese sind ähnlich angeordnet wie die Altersringe von Baumstämmen. Der Vorteil: Durch die Vertiefungen in der Linse werden Nähe und Ferne abgebildet. „Damit ist ein mehrstufiges Pseudo-Heranzoomen möglich“, erklärt der Facharzt Schmid.
Der Eingriff dauert zwischen zehn und 20 Minuten. In dieser Zeit macht der Arzt einen zwei Millimeter großen Schnitt zwischen der Hornhaut und der weißen Lederhaut des Augapfels. Über die körpereigene Linse setzt Schmid die multifokale Optik ein. Alleinstellungsmerkmal des neuen Verfahrens: Die eigene Linse bleibt erhalten.
Doch nicht für alle Patienten ist dieser Eingriff der Königsweg. „Ab Mitte 50 ist die körpereigene Linse fast funktionslos“, sagt Schmid. Eine Zusatzlinse – wie die multifokale – würde in diesen Fällen weniger Sinn ergeben. Nachhaltiger sei es, die eigene Linse gegen eine Multifokallinse zu tauschen, wie bei der Operation des Grauen Stars. Zu jung sollte der Patient ebenfalls nicht sein. „Mit einer multifokalen Optik muss man gewisse Kompromisse eingehen.“Ein 30-jähriger Patient würde sich nach dem Eingriff beispielsweise schwerer tun, Kontraste optimal zu erkennen. Die Zielgruppe umfasst daher 40- bis maximal 60-Jährige.
Solche Eingriffe rufen bei vielen Patienten einen „Bammel“hervor, wie Schmid sagt. Doch er beruhigt: Der Eingriff gilt als sicher. Es treten demnach keine Unverträglichkeiten auf und der Körper stößt die neue Linse nicht ab. Weshalb sich der Ulmer Augenarzt dessen so sicher ist: Weltweit wurde das Verfahren bislang über 30 000 Mal gemacht. In Spanien, Frankreich und vielen asiatischen Ländern gehört der Eingriff zum Standard-Repertoire vieler Augenärzte. Das liegt laut Schmid vor allem an den zahlreichen Vorteilen: „Die Sehschärfe ist einen Tag nach der OP meist schon so gut, dass der Patient Auto fahren kann.“Rund zwei Monate dauert es, bis das Auge sich an das nächtliche, sogenannte Streulicht gewöhnt hat.
Der Eingriff kostet rund 3000 Euro – pro Auge. Private Kassen übernehmen oftmals ein Drittel bis die Hälfte der Ausgaben. Wer gesetzlich versichert ist, könne den Eingriff steuerlich geltend machen. 6000 Euro ist nicht wenig, das weiß auch Schmid. Doch er betont: „Wenn man bedenkt, dass man für eine Gleitsichtbrille oft mehr als 1000 Euro zahlen muss – dann sind Kunstlinsen, die ein Leben lang halten können, keine schlechte Investition.“