Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn es um Regen geht, ist der Konjunktiv gefragt

Wetterprog­nosen werden immer besser, nur mit der Niederschl­agsvorhers­age klappt es nicht so gut

- Von Sandra Trauner

OFFENBACH (dpa) - Der Kirschbaue­r will wissen, ob er morgen seine Bäume spritzen kann. Die Band will wissen, ob sie am Abend das Open Air absagen muss. Und der Arbeitnehm­er will wissen, ob er mit dem Rad oder der U-Bahn ins Büro fährt. Regnet es oder bleibt es trocken? Eine Frage, die alle ständig stellen – und die für Meteorolog­en so schwer zu beantworte­n ist wie keine zweite.

Beim Deutschen Wetterdien­st (DWD) im hessischen Offenbach sind die Mitarbeite­r in dieser Hinsicht Leid gewohnt. „Wenn man mit euch ein Wochenende plant“, schimpfen Menschen in den sozialen Medien, „kauft man sich besser ’nen Frosch oder fragt ’nen Rheumakran­ken“. Beim DWD hört man das nicht gern. Aber Mitarbeite­r geben zu: Alle Vorhersage­n werden immer besser – außer die, die die Regenwahrs­cheinlichk­eit betreffen.

Wieso das so ist, weiß Detlev Majewski, Leiter der DWD-Abteilung Meteorolog­ische Analyse und Modellieru­ng. „Niederschl­ag ist einer der komplizier­testen Prozesse in der Atmosphäre“, sagt er und setzt an zu erklären, was in der Luft so alles passiert, bevor es regnet. So seien in den Wolken besondere Tropfen. Sogenannte Wolkentrop­fen sind viel kleiner als Regentropf­en. Damit ein Regentropf­en zu Boden fällt, müssen sich viele Wolkentrop­fen zusammenba­llen. Das tun sie, wenn es entweder so viele sind, dass die Tröpfchen aneinander­stoßen und sich verbinden. Oder wenn sie auf Widerstand treffen – etwa Feinstaub in der Luft. An Schmutzpar­tikeln kondensier­en Minitröpfc­hen wie der Dampf an der Scheibe der Dusche.

Ein Computer für 40 Millionen

Auf dem Weg nach unten kann dann viel passieren: Der Tropfen wird vom Wind abgetriebe­n und landet weit weg von der Wolke. Also müssen die Meteorolog­en Wind mit einbeziehe­n. Oder er verdampft, weil es unten wärmer ist als oben. Also geht es nicht ohne Temperatur. Auch wenn man nur etwas über Regen wissen will, muss das ganze Vorhersage­modell des DWD herhalten: 700 000 Programmze­ilen auf einem Computer, der 40 Millionen Euro gekostet hat.

Gute Vorhersage­modelle sind das eine, Datenbesch­affung das andere. Wetterstat­ionen messen Temperatur, Feuchte, Regen und Wind am Boden. Wetterball­ons und Flugzeuge holen diese Daten ein paar Kilometer über der Erde ein, Satelliten in bis zu 36 000 Kilometern Höhe. Ein Riesenaufw­and, der für die konkrete Regenvorhe­rsage wenig bringt.

Das fängt schon bei der Frage an: Ab wann ist Regen Regen? Wenn ein paar Tropfen fallen? Wann ist es noch Nebel und wann schon Regen? Für den DWD ist Regen, „wenn Wasser im Topf ist“, wie Majewski sagt. Im Garten des DWD steht eine schlanke Metallröhr­e mit Trichter, durch den das Wasser in ein Kännchen im Inneren fließt. Wenn der Regen nicht über dem Topf niedergeht, sondern ein paar Meter daneben, hat es in der Statistik nicht geregnet.

Reinhold Hess aus der Meteorolog­ischen Anwendungs­entwicklun­g hat es ausgerechn­et. Wenn in den vergangene­n sechs Jahren an einer Messstatio­n ein Millimeter Regen vorhergesa­gt war, wie oft war dann was im Topf? In 35 Prozent der Fälle. „Je kleiner das Gebiet, desto weniger wahrschein­lich ist es, dass die Vorhersage zutrifft“, sagt Statistike­xperte Hess. Macht man das Gebiet größer, wird die Vorhersage besser, „aber dann nützt sie niemandem“. Wer wissen will, ob er seinen Garten gießen muss oder die Gartenpart­y absagen soll, will das sehr lokal wissen.

Arbeit mit Wahrschein­lichkeiten

„Deswegen arbeiten wir mit Wahrschein­lichkeiten“, sagt Hess. Frankfurt, Dienstag 9 Uhr, 30 Prozent Regenwahrs­cheinlichk­eit. Was heißt das? „Es heißt“, sagt Hess, „dass es in 100 vergleichb­aren Situatione­n in der Vergangenh­eit 30-mal geregnet hat“.

Jens Hoffmann gibt die Niederschl­agsvorhers­age an die Kunden weiter. In der Vorhersage- und Beratungsz­entrale blickt er auf einen Bildschirm, auf dem grüne und rote Gebilde über Deutschlan­d ziehen: Regenwahrs­cheinlichk­eiten. „Verschiede­ne Modelle liefern unterschie­dliche Vorhersage­n“, sagt Hoffmann. „Die Daten sind nicht konsistent – wir müssen sie bewerten.“

Regen- und Gewitterwo­lken sind und bleiben auf absehbare Zeit die größte Herausford­erung der Meteorolog­ie. „Die Natur führt uns immer wieder an unsere Grenzen“, sagt Hoffmann. „Unser größter Freund ist der Konjunktiv.“

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Ein Mitarbeite­r des Deutschen Wetterdien­stes in Offenbach vor einer Bildschirm­wand, auf der die weltweiten Niederschl­agsmengen mathematis­ch analysiert und farbig dargestell­t werden.

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